Gefaehrliches Verlangen
Korum gerade dieses Auto gewählt hatte, war Mia nicht wirklich klar. Sie erinnerte sich vage daran, dass Jessies Bruder vor ein paar Monaten davon geschwärmt hatte; wahrscheinlich kostete dieses Auto mehr als drei durchschnittliche Häuser zusammen. Als sie eingewandt hatte, dass ein Toyota sie genauso gut an ihr Ziel bringen würde, hatte ihr Liebhaber nur seine Augenbrauen gehoben. »Das hier ist eines der netteren Autos«, hatte er ihr erklärt, »und ich würde gerne einmal eines dieser menschlichen Gefährte steuern. Ich muss dir ja jetzt wohl nicht sagen, dass dieses sowieso das einzige Automodell ist, das ich angepasst habe, damit unsere Nanomaschinen es reproduzieren können.«
Und damit war das Gespräch beendet gewesen. Der kleine Sportwagen düste die I-95 mit über 160 km/h entlang, und sie erreichten Ormond Beach in einer Rekordzeit. Es sah so aus, als sei einer der Vorteile, mit einem Krinar zu reisen, dass man sich keine Sorgen um Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen machen musste; jeder Polizist, der das Pech hatte sie anzuhalten, würde sofort zurückweichen.
»Alles klar, ruf mich an, wann immer du möchtest, dass ich vorbeikomme. Und hör auf dir Sorgen zu machen«, sagte Korum zu ihr, lehnte sich hinüber, um ihr die Tür zu öffnen, und gab ihr einen schnellen Kuss auf die Lippen.
»Okay, mach ich.«
Mia stieg aus dem Auto, schloss die Tür und sah ihm dabei zu, wie er wegfuhr. Dann atmete sie tief ein und ging auf das Haus ihrer Eltern zu.
Die Straße, in der Mia aufgewachsen war, befand sich in dem etwas älteren Teil der Stadt. Die Mehrzahl der Häuser waren in den Achtzigern und Neunzigern gebaut worden, vor dem riesigen Immobilienboom in der Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Das war auch der Grund dafür, dass einige Dächer der Nachbarhäuser schon ein wenig alt aussahen, und nur wenige von ihnen waren mit Solarzellen bedeckt, obwohl das heutzutage sehr verbreitet war. Generell hatten die Häuser nicht das glänzende, brandneue Aussehen und auch nicht die dementsprechende Ausstrahlung, wie das in den reicheren und teureren Teilen der Stadt der Fall war. Aber dafür war hier die Landschaft schöner, mit den großen Bäumen, die viel Schatten spendeten und dadurch die Energierechnung nach unten drückten.
Als sie die Straße hinunterging, saugte Mia die vertraute Atmosphäre auf und mit jedem Haus und jedem Busch kamen Kindheitserinnerungen zurück. Dort war das Haus von ihrer Freundin Lauren, bei der sie so viele Sommer im Pool verbracht hatten. Und dort drüben standen die Eichen, die sie immer hochgeklettert waren, ohne sich um ihre Sicherheit Gedanken zu machen, genauso wie das nun mal für Kinder üblich war. Lauren war gerade an eine Uni nach Michigan gegangen, weshalb Mia sie in letzter Zeit kaum noch sah. Allerdings skypten oder telefonierten sie alle paar Monate miteinander, um sich nicht völlig aus den Augen zu verlieren.
Wie so viele andere auch, waren Mias Eltern wegen des schönen Wetters und den erschwinglichen Häusern von Brooklyn nach Florida gezogen. Es war eine Entscheidung gewesen, die sie niemals bereut hatten und sie hatten sich auch schnell an den langsameren Ablauf des Lebens hier gewöhnt. Marisa war zu dem Zeitpunkt drei Jahre alt gewesen und New York war für das junge Paar zu teuer gewesen, um etwas Größeres als eine kleine Wohnung zu kaufen. Also hatten sie stattdessen zwei Jahre lang gespart, ihr ganzes Geld zusammengekratzt — während dieser Zeit hatten sie nicht einmal in einem Restaurant gegessen, hatte ihre Mutter ihr stolz erzählt — und dann eine Anzahlung auf ein hübsches Haus mit vier Zimmern in einer schönen Mittelklassenachbarschaft in Ormond Beach geleistet.
Als sie sich dem Haus näherte, machte sie eine kurze Pause, um ihre Nervosität unter Kontrolle zu bekommen. Damit sie ihren Eltern nicht noch mehr Lügen erzählen musste, hatte sie sich dafür entschieden, sie vor dem Besuch nicht noch einmal anzurufen, nicht einmal, um sie wissen zu lassen, um wie viel Uhr sie käme. Es erschien ihr leichter, einfach bei ihnen aufzutauchen und die ganze Geschichte zu erklären. Als sie auf ihr Telefon schaute, sah sie, dass es erst neun Uhr morgens war, also würden ihre Eltern höchstwahrscheinlich zu Hause sein.
Sie hob ihre Hand und klingelte. Sofort unterbrach eine lautes, bellendes Geräusch die Stille, als Mocha, der Chihuahua ihrer Eltern, seiner Pflicht nachkam und den Besucher ankündigte. Ihre Eltern
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