Gefaehrten der Finsternis
unbemerkt durch die Zeltreihen der Untoten flüchten können, aber nun war er zu Tode erschöpft. Die Wunde im Rücken war nicht so schlimm, aber die in seinem Hinterteil brannte inzwischen fast unerträglich. Tyke konnte sie nicht sehen, aber er hatte das Gefühl, dass sie sich entzündete. Die Schmerzen waren so stark, dass er sich nicht einmal hinsetzen konnte. Und zu allem Unglück hatte er keinerlei Vorräte dabei, nicht einen Krümel Brot und keinen einzigen Tropfen Wasser. Er wusste einfach nicht mehr weiter.
Tyke kauerte sich zusammen. In dem Umhang war er in der Dunkelheit absolut unsichtbar. Durch seinen Kopf schwebte nur noch ein einziger Gedanke:Wenn der letzte Lebensfunke aus ihm gewichen war, würde niemand seine sterblichen Überreste finden können. Plötzlich sah er ein dürres Gerippe vor sich, das über Jahre und Jahrzehnte hier unter dem Dämonenmantel liegen würde, und es graute ihm im tiefsten Innersten.
Er war da in etwas hineingeraten, das alle seine Kräfte überstieg und das er nicht einmal vollkommen durchschaute. Bei dem Krieg, den sie gerade führten, bei ihm, den Dämonen, den Ewigen, bei all denen, die auf der einen oder anderen Seite standen, ging es um mehr als nur um einen Thron oder um Rache.Tyke begann den wirklichen Grund für all den Blutdurst, für all die Zwietracht zu ahnen. Sein Vater hatte ihm so oft von der Finsternis erzählt, von der Kraft des Bösen, der noch nie jemand ein Gesicht oder einen Namen hatte geben können. Er hatte ihm erzählt, wie die Ewigen die Finsternis zu Anbeginn der Zeiten bekämpft hatten, lange bevor die Sterblichen auf die Welt kamen, und wie sie sie im ersten großen Krieg besiegt hatten. Er hatte ihm davon erzählt, wie die Finsternis mehrfach versucht hatte, die Macht wieder an sich zu reißen, und wie diese Pläne jedes Mal vereitelt wurden - wenn auch zu hohem Preis. Die Dämonen, der Ork, die Untoten waren aus dem Schoß der Finsternis gekrochen, waren ihre Geschöpfe und Diener. Die Finsternis hatte stets auf die Unterstützung sklavischer Verbündeter zählen können, die sie mit dem Versprechen von Ruhm und Macht geködert hatte. Und jetzt war es Gylion Herz aus Eis selbst gewesen, der einen Krieg losgebrochen hatte. Ein Wesen, wie man es noch nie zuvor gesehen hatte: halb Ewiger, halb Sterblicher, unglaublich mächtig, Herr über Magie und Zauberkünste, aufgewachsen unter den Dämonen. Aus tiefster Seele hinterhältig und boshaft. Trotz allem, was er sagte, war er nicht an Macht oder Rache interessiert. Nein,Tyke verstand das jetzt: Sein eigentliches Ziel war
es, das Gute zu zerstören. Es ging um den Triumph des Bösen, die endgültige Auslöschung von Glück, Liebe, Mitgefühl und Hoffnung. Daneben verblassten die Ziele seiner Verbündeten. König Lucidious mit seinen lächerlichen Träumen von Ruhm, die Goblins, die Kobolde, ja auch Scrubb Vyrkan waren nur erbärmliche Spielzeuge in den Händen dieses Herrn.Vergebens suchte man in ihm auch nur einen Hauch von Freundschaft, Treue, Loyalität und Liebe.Vergebens suchte man in ihm Gefühlsregungen, die allen irdischen Wesen zuteil waren, die selbst die Geschöpfe der Finsternis besaßen. Er hatte nichts mit ihnen gemein.
Nun leuchtete die Finsternis aus Gylions Augen. Sie bewegte seine Hand, sprach mit seiner Zunge. Mit ihm würde die Nacht triumphieren. Er war nicht mehr Algus’ Sohn, kein Ewiger, auch kein Zauberer mehr. Jetzt war er die Finsternis selbst.
Tyke traf diese Erkenntnis wie ein Blitz. Einen Moment lang fragte er sich, ob die Ewigen das wohl wussten, ob sie das ganze Ausmaß der Gefahr kannten oder ob sie sie unterschätzten, weil sie dachten, dass sie es nur mit einem weiteren Algus zu tun hätten. Der Gedanke brannte in seinem Bewusstsein. Dann aber fühlte er sich zu klein und zu unbedeutend angesichts solcher Ereignisse und schlief ein, während nur eine leise beunruhigende Erinnerung in seinem Hinterkopf haften blieb.
VIERZEHN
E S WAR SCHON Morgen, als Lyannen erwachte. Ein dünner Rauchfaden stieg vom Feuer auf, an dem seine Freunde gerade ein paar der vom gestrigen Abendessen übrig gebliebenen Kartoffeln frühstückten. Die Sonne drang durch die Zweige und warf ihren hellen Schein auf die Lichtung. Lyannen schämte sich, dass er eingeschlafen war - und das auch noch auf seinem Bruder, mit dem Kopf direkt auf dem Verband. Er richtete sich schnell auf und hoffte, dass es niemand bemerkt hatte. Sein Bruder lag im Sterben und er beschwerte ihn auch noch mit
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