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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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richtig verstanden hatte und ihn nur auf den Arm nahm. Deshalb sagte er nichts weiter dazu.Vielleicht waren seine Sorgen auch unbegründet, und wenn nicht, dann waren sie sowieso bereits in Schwierigkeiten, ohne es zu wissen. Aber an diesem Abend begnügte sich Lyannen genauso wie Ventel mit Kartoffeln. Sollten sie ihn doch für verrückt halten, wenn sie wollten, aber so langsam gab er seinem Bruder ernsthaft recht.
    Die Nacht verlief ruhig, obwohl Lyannen wegen seiner Befürchtungen stundenlang unter seiner Decke lag und nicht einschlafen konnte. Wenn er sich konzentrierte, konnte er einige Meter weiter Ventels Augen funkeln sehen, die wachsam die Dunkelheit erforschten. Lyannen war nicht der Einzige, der in dieser Nacht wachte.
    Erst in der Morgendämmerung fiel Lyannen in einen unruhigen Schlaf. Dalman, der Wache hielt, sah zu, wie das Feuer langsam verlöschte, und stocherte abwesend mit einem Zweiglein darin herum. Allmählich ging der Sommer seinem Ende zu und
so früh am Morgen war es schon richtig kühl. Obwohl Dalman sich eine Decke über die Schultern gelegt hatte, erschauerte er. Er konnte es kaum erwarten, wieder aufzubrechen. Er war zwar selbst ein Kind des Waldes, doch dieser hier gefiel ihm überhaupt nicht. Sie kamen immer näher an die Grenze zum Reich der Wälder heran und die Gegend wurde immer unsicherer. Bald würde ihre Reise enden. Höchstens noch eine Woche Fußmarsch, dann würden sie den Waldrand erreichen. Und dort angekommen, mussten sie die Weißen Sümpfe durchqueren. Danach führte ihr Weg zur Feste Syrkun und schließlich zur Letzten Stadt. Wenn sie dann die Front erreicht hatten, mussten sie noch Eileen finden, falls sie überhaupt noch am Leben war. Der schwierigere Teil der Reise lag also noch vor ihnen. Doch bald würden sie wenigstens diesen verdammten Wald verlassen und das war Dalman im Moment das einzig Wichtige.
    Er zog die Decke enger um sich und rückte ein wenig näher an das Feuer heran. Bald würden sie aufbrechen. Die Stunde, in der sie ihre Schwerter ziehen und kämpfen mussten, kam immer näher. Unwillkürlich schob er seinen Reiseumhang beiseite und legte das Schwert seines Vaters frei, das ihm am Gürtel hing. Seine schmalen Finger berührten das kalte Eisen. Ein Seufzer schlüpfte über seine halb geöffneten Lippen, während er die Waffe beinahe liebevoll streichelte. »Du wirst bald eine Schlacht erleben«, flüsterte er. »Du wartest doch schon darauf, nicht? Genau wie ich.«
    Dalman betrachtete sein Spiegelbild in der glänzenden Klinge. Seine langen silbernen Haare hingen ihm offen über die Schultern, und seit er die frühere komplizierte Haartracht aufgegeben hatte, die er bei seiner ersten Begegnung mit den Rebellen getragen hatte, waren sie auch zerrauft. Das verlieh ihm ein irgendwie verwegenes, kampfeslustiges Aussehen. Dalman hielt sein Schwert vor sich und die Bäume hinter ihm spiegelten sich in der Klinge: Hoch, dunkel und düster sahen sie aus. Sogar ihr Spiegelbild hatte etwas Heimtückisches. Er hasste diesen Wald. Zwischen den Bäumen
gab es heimliche Schlupflöcher und dunkle Schatten; wer wusste schon, was sich dort verbarg. Ein Knacken, ein Zweig brach. Das konnte ein Tier sein oder der Wind. Oder irgendetwas anderes. Dalman senkte langsam sein Schwert.
    Ganz plötzlich erstarrte er, das Schwert auf halber Höhe. Mit weit aufgerissenen Augen sah er auf das Spiegelbild der Bäume in seiner Klinge. Nein, er konnte sich nicht geirrt haben! Da zwischen den Büschen hatte er etwas gesehen - die Gestalt eines Mannes. Nur für den Bruchteil eines Augenblicks, aber immerhin deutlich genug, dass er sich sicher war, sich nicht getäuscht zu haben. Ein Mann. Was hatte der hier zu suchen? Vermutlich nichts Gutes. Dalman starrte so konzentriert wie möglich auf das Spiegelbild. Da war er wieder! Und noch deutlicher zu erkennen als vorher. Da war zweifellos ein Mann. Nun glitt er geräuschlos zwischen zwei Baumstämme und entschwand wieder seinem Blick.Wieder erschauerte Dalman, aber diesmal nicht wegen der Kälte. Die Sache gefiel ihm nicht, nein, ganz und gar nicht. Was sollte er tun? Die anderen wecken? Selbst nachsehen?
    »Dalman«, rief ihn plötzlich jemand von hinten an.
    Das reichte, um ihn auffahren zu lassen, aber dann wurde ihm klar, dass die Stimme von Ventel kam, der hinter ihm mit dem Schwert in der Hand lautlos herangekrochen war. Dalman drehte sich um und begegnete dem Blick aus Ventels kühlen blauen Augen. Seine schönen Finger hielten den

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