Gefaehrten der Finsternis
Rabba Nix. »Also, so wie du dich benimmst, meine ich. Du schaust nicht so hochmütig auf andere herab und denkst, dass du einem auserwählten Volk angehörst.« Er musterte Slyman, als suche er nach etwas, das nicht zu seiner zierlichen Figur passte. »Also, eigentlich bist du sehr wenig elbenhaft.«
»Soll das ein Kompliment sein?« Slyman zog argwöhnisch eine Augenbraue hoch. »Oder eine Beleidigung?«
»Natürlich ein Kompliment!« Rabba Nix streckte sich auf dem Rücken aus und legte den Kopf auf seinen zusammengefalteten Umhang. »Keiner meiner Freunde sollte allzu elbenhaft sein.« Er fuhr sich mit seinen dünnen grünen Fingern durch seine roten Locken. »Es tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss, aber nach deinen Worten habe ich mir wesentlich mehr von diesen Rebellen versprochen. Ich habe gedacht, sie wären alle so wie du. Aber sie sind einfach nur wie ihresgleichen, nicht mehr und nicht weniger.«
»Du urteilst zu hart«, meinte Slyman. »Ich finde, sie sind wirklich ausgezeichnete Männer. Sie sind nur vorsichtig, und das ist ja auch gut so. Schließlich ist das hier keine Landpartie.«
»Für uns aber auch nicht«, sagte Rabba Nix. »Ich bin richtig müde, weißt du das? Wahrscheinlich zum ersten Mal in meinem Leben.«
»Ich auch.« Slyman schwieg eine Weile nachdenklich vor sich hin, ehe er sagte: »Rabba Nix … Wir werden doch nicht etwa noch Freunde?«
»Wer? Wir?« Der Ka-da-lun kicherte in sich hinein. »Ich habe es dir doch schon gesagt, eher nehme ich einen Golem zur Frau, als dass ich der Freund eines Elben werde. Ich folge dir nur, weil ich nirgendwo anders hin kann. Sonst …« Er beendete den Satz nicht. »Ein Ka-da-lun und ein Elbe Freunde, das hat mir gerade noch gefehlt«, schimpfte er leise.
»So schlimm wäre das auch wieder nicht«, entgegnete Slyman seufzend, dann gähnte er kurz und schlief ein.
Am nächsten Morgen standen sie bei Tagesanbruch auf. Das Frühstück ließen sie aus, denn sie hatten nur die spärlichen Vorräte, die Slyman und Rabba Nix aus Kalka Nadd mitgebracht hatten, und so mussten sie sich möglichst einschränken. Die Sonne
stand noch tief am Horizont, als sie aufbrachen.Von Ventels Pferd Ardir und damit ihrem Gepäck war weit und breit keine Spur zu entdecken. Ardir konnte sonst wohin geflüchtet sein, während sie mit den Zentauren kämpften.Wenn Ventel gehofft hatte, dass sein Pferd irgendwann von alleine zu ihm zurückfinden würde, dann wurde er enttäuscht.Wieder etwas, was sie bei der Erfüllung ihrer Mission behinderte.
Der Sommer neigte sich seinem Ende zu, und um sie herum wurde es schon herbstlich, was man daran merkte, dass der Wind jetzt kühler war und die sich verfärbenden Blätter trockener raschelten. Lyannen hatte den Herbst mit seiner traurigen Stimmung immer geliebt, doch nun fürchtete er ihn zum ersten Mal in seinem Leben. Denn durch die Flucht des Pferdes hatten sie alles verloren, Decken, Kleidung zum Wechseln, Vorräte und Heilkräuter. Ihnen war nur das Gepäck geblieben, das Slyman und der Ka-da-lun aus Kalka Nadd mitgebracht hatten, und das reichte leider nicht für alle: fünf Decken, zwei neue Jagdmesser, zwei Wasserflaschen, eine Flasche Ambrion und eine Flasche Bier, Kleidung und Vorräte, die für zwei Personen mehr als genug waren, doch für acht viel zu wenig. Und die Hälfte der Kleider hatten Ka-da-lun-Größe und passten außer Rabba Nix nur dem jungen Slyman und Lyannen so halbwegs. In Anbetracht der Umstände bat Lyannen Ventel, seinen Umhang aus Mondseide wieder an sich zu nehmen. Ventel weigerte sich zunächst, doch dann gab er nach, und Lyannen überreichte ihm den Umhang, den er in all der Zeit allerdings nie getragen, sondern nur unter seinem Hemd auf der Brust festgebunden hatte wie seinen kostbarsten Besitz, außer dem Sternenanhänger natürlich.Ventel fuhr seufzend mit der Hand über den glänzenden Stoff, und Lyannen ahnte, dass er dabei an Irmya dachte.
Entschlossen schlugen sie nun den Weg Richtung Nordosten ein.Ventel lief an der Spitze, Lyannen direkt hinter ihm, dann kamen Drymn und Validen, danach Elfhall und Dalman. Slyman
und Rabba Nix bildeten die Nachhut. Auch Slyman war nicht gerade bester Laune. Seine Finger umklammerten den goldenen Anhänger, als wäre das sein einziger Halt, und seine Gedanken kreisten nur um den Einsamen und ihre gemeinsam verbrachte Zeit.
Der Einsame... Slyman hatte von ihm geträumt, und zwar so intensiv wie noch nie. Er hatte ihn vor sich gesehen, hatte
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