Gefaehrten der Finsternis
Rechten sein Schwert, als warte er nur auf ein Zeichen Ventels, überraschend anzugreifen, doch das kam nicht. Ventel trat ganz nah an ihn heran und zischte fast unhörbar: »Wenn du auch nur ansatzweise versuchst, was dir gerade durch den Kopf geht, wirst du durchlöchert wie ein Sieb. Das hier ist kein Spiel.«
Lyannen hätte gerne etwas darauf erwidert. Lieber hätte er sich wie ein Sieb durchlöchern lassen, als sich wie ein Feigling zu ergeben.
Ventels Hand fuhr blitzschnell unter seinen Umhang und Lyannen sah in einem Bruchteil einer Sekunde die Klinge eines Dolches zwischen den Falten der Mondseide aufblitzen. Er lächelte. Einen Moment lang hatte er schon gefürchtet, dass Ventel sich wirklich ergeben wollte.
»Jetzt übergib deine Waffen«, befahl Ventel. »Wir werden sie wiederbekommen, nur keine Sorge.«
Beruhigt gab nun auch Lyannen seine Waffen ab, auch seinen Dolch. Er hätte ihn zwar ebenfalls gerne unter seinem Umhang verschwinden lassen, doch er wusste, dass die junge Frau das merken würde. Sie war bestimmt nicht auf den Kopf gefallen und er war nicht so geschickt wie Ventel. Schließlich hatte er mit allen anderen ganz deutlich gesehen, wie der Dolch seines Bruders zu Boden gefallen war, und einen Moment später hatte der ihn in seinem Umhang verborgen. So einen Trick hätte Lyannen niemals hinbekommen. Bedauernd blickte er auf die abgelegten Waffen und seufzte. Ich muss noch viel lernen, dachte er.
Nachdem die anderen gesehen hatte, mit welcher Ruhe Lyannen seine Waffen dem hübschen Mädchen übereignet hatte, gaben sie ebenfalls ihre Waffen heraus, ohne groß zu protestieren. Schließlich blieben nur noch Slyman und Rabba Nix, die sich beide weigerten.
»Ich denke gar nicht daran!«, flüsterte der Ka-da-lun seinem Freund ins Ohr. »Das können die vergessen.«
»Ich bin mir sicher, dass Ventel irgendetwas im Schilde führt«, wisperte Slyman zurück. »Aber das Schwert des Einsamen...« Er fuhr über den Griff der Waffe und es schauderte ihn. Er konnte sie nicht dem Feind überlassen, das ging einfach nicht.
Die junge Frau schaute Slyman an. Plötzlich schnellte ihre
Hand vor und zog mit einer ebenso überraschenden wie gewandten Bewegung das Schwert aus der Scheide. Die Klinge glänzte im Licht der Sonne. Die Frau lächelte triumphierend. »Eine schöne Waffe hast du da«, meinte sie bewundernd. »Ich denke, du kannst sie ruhig uns überlassen.«
Slyman schüttelte den Kopf. »Sie gehört mir nicht. Ich kann sie dir nicht lassen.«
»Was glaubst du wohl, was du bist: ein Gefangener oder ein Gast?«, fragte das Mädchen.
»Ein Gefangener, vermute ich mal«, antwortete Slyman. »Was sonst?«
»Na gut, also Gefangene gehorchen normalerweise«, sagte sie. »Und für den Fall, dass du dich für einen Gast hältst, dann willst du doch nicht etwa in voller Kriegsrüstung das Heim von Freunden betreten, oder?«
»Übergib sie«, hörte er hinter sich Ventels Stimme. »Slyman, bitte!«
»Dann nimm sie dir«, sagte Slyman und fühlte, wie sich irgendetwas in ihm verkrampfte. »Und die hier auch.« Damit überreichte er ihr die zwei Jagdmesser. Er warf einen Blick über seine Schulter und sah, wie Ventel nickte. »Rabba Nix, ich denke, dass auch du ihr etwas zu geben hast«, fügte er an.
Der Ka-da-lun sah ihn bestürzt an, aber Slyman machte ein aufforderndes Zeichen und wies mit dem Kopf auf das Mädchen. Er schien so von dem überzeugt zu sein, was er tat, dass nun auch Rabba Nix seine Waffen ohne weiteres Murren auslieferte. Die junge Frau lächelte wieder und bedeutete ihren Gefährtinnen, die übergebenen Waffen aufzuheben. Dann zog sie aus einer Tasche ihres Gewandes einige violette Tücher heraus und wandte sich wieder an Ventel. »Sag deinen Leuten, dass ich ihnen die Augen verbinden muss.«
Ventel nickte sehr ernst. »Lasst sie gewähren«, sagte er müde. »Es besteht keine Gefahr. Das stimmt doch, oder?«
»Nicht die geringste«, versicherte sie stolz und strich sich eine Strähne ihrer kastanienbraunen Haare aus dem Gesicht.
Dann verband sie ihnen der Reihe nach die Augen, was alle, sogar Rabba Nix, widerstandslos über sich ergehen ließen. Die meisten von ihnen waren sich nicht sicher, ob sie sich nun bei Feinden oder bei Freunden befanden.
Als die junge Frau Slyman das Tuch vor seinen Augen befestigte, spürte er, wie ihre Lippen beinahe sein Ohr streiften. »Ich heiße Ayanna«, flüsterte sie ihm zu. »Erinnere dich an meinen Namen, junger Elbe.Wir werden uns
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