Gefaehrten der Finsternis
Gesicht unergründlich, und wenn er lachte, scherzte oder Anekdoten erzählte, lag in seiner Fröhlichkeit immer auch ein Hauch von Melancholie, die untrennbar mit ihm verbunden zu sein schien. Was immer er erlebt hatte, Slyman brannte darauf, seine Geschichte zu erfahren, denn Ventel erinnerte ihn wie noch kein anderer an den Einsamen. Wenn Slyman Ventels jugendliches Gesicht, seine sanften und feinen Züge betrachtete, schien sich das alte ernste Gesicht des Einsamen darüber zu legen - das Gesicht des Mannes, von dem er so lange Jahre abhängig gewesen war, ohne auch nur seinen Namen zu kennen. Die beiden Gesichter waren so verschieden und trotzdem einander so ähnlich. Beide waren vom Schicksal gezeichnet, beide hatten die zeitlose Aura unerklärlicher Melancholie. Beide waren so unergründlich, wie es nur das Antlitz eines Kriegers sein kann, der mehr gesehen hat, als er ertragen konnte.
Slyman hätte sich gerne mit Ventel unterhalten, um Näheres über ihn zu erfahren. Die anderen Rebellen wirkten schon sympathisch
und vertrauenswürdig auf ihn, doch nur in Ventels Gegenwart fühlte er sich so sicher und beschützt wie dann, wenn er den Anhänger des Einsamen mit seiner Faust umklammerte.
Slyman riss sich mühsam vom Anblick des Feuers los und schüttelte die merkwürdige Lähmung ab, die ihn gepackt hatte. Lyannen teilte gerade die Nachtwachen ein. Slyman bekam noch mit, dass er zusammen mit Rabba Nix den Dienst nach Validen übernehmen sollte.Wer war doch gleich Validen? Das musste der junge Mann dort drüben mit den türkisfarbenen Augen sein, der Neffe des Königs. Lyannen hatte ihn bei der allgemeinen Vorstellung den Goldenen genannt. Ein Beiname, der zu ihm passte, dachte Slyman. Dann senkte er den Blick, da ihm bewusst wurde, dass er Validen etwas zu eindringlich angestarrt hatte.
Er ging zu seinem Reisesack und zog fünf zusammengerollte Decken heraus. »Die habe ich zusammen mit anderen Sachen in Kalka Nadd gekauft«, erklärte er. »Ich dachte, wir könnten sie brauchen. Ihr habt ja keine mehr, bedient euch also.«
»Vielen Dank«, sagte Lyannen, doch dann musterte er Slyman mit einem Funkeln in seinen eisblauen Augen. »Und du? Die Nächte sind kalt.Wie willst du ohne eine Decke auskommen?«
»Ach, mach dir darüber keine Gedanken.« Slyman schüttelte den Kopf. »Ich bin daran gewöhnt. Ich habe immer ohne eine Decke geschlafen, zu jeder Jahreszeit. Nehmt sie ruhig.«
»Danke«, sagte Lyannen erneut und dieses Mal lächelte er. »Du bist einer von uns, ich wollte nur, dass dir das klar ist.Wir sind für dich da, wenn du irgendetwas brauchst.«
Slyman blickte zu Boden. »Ich bin es nicht gewohnt, in Gesellschaft zu sein«, sagte er leise. »Und vor allen Dingen nicht in Gesellschaft von Helden wie euch. Ich hoffe, dass ich mich euer würdig erweisen werde.«
Lyannen betrachtete ihn erneut, Müdigkeit und Resignation lagen in seinem Blick. Dann sagte er: »Glaub mir, es gehört nicht viel dazu, sich meiner würdig zu erweisen.«
Slyman sagte nichts weiter dazu und zog sich mit einem halblaut gemurmelten Gute-Nacht-Gruß an seinen Platz ein wenig abseits vom Feuer zurück. Rabba Nix wartete dort bereits im Schneidersitz auf ihn und starrte demonstrativ seine Fingernägel an. Mit einem Seufzer streckte sich Slyman neben seinem Gefährten aus. Nur die nackte Erde als Lager und als Kopfkissen sein Reisesack - der Einsame wäre stolz auf ihn gewesen. Er schaute zu Rabba Nix hinüber. Der wirkte irgendwie beleidigt und nicht in der Laune, eine Unterhaltung anzufangen, falls Slyman nicht als Erster den Mund aufmachte.
»Na?«, fragte Slyman. »Was denkst du?«
»Worüber?« Der Ka-da-lun klang grantig.
»Na, über den Bund der Rebellen.« Slyman zog sich die Stiefel aus. »Über alles hier.«
»Du hast mich den ganzen Weg hierher gehetzt, nur damit wir zu denen stoßen?«, platzte es aus Rabba Nix heraus. »Die nennen mich ständig nur Gnom. Es ist schrecklich! Außerdem ist doch ganz klar, dass sie mir ebenso wenig über den Weg trauen wie ich einem Goblin.«
»Also, du magst sie nicht«, stellte Slyman fest. »Das dachte ich mir.«
»Na ja«, sagte Rabba Nix milder und zuckte mit den Schultern. »Sie sind nun mal sehr elbenhaft, wenn du mir diese Bemerkung erlaubst. Und dass ich die Elben nicht besonders mag, weißt du ja.«
»Ich bin auch nur ein Elbe, um es mal mit deinen Worten zu sagen.« Slyman gähnte leicht. Er war sehr müde.
»Du bist viel mehr Ka-da-lun als Elbe«, erklärte ihm
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