Gefaehrten der Finsternis
waren nur fünftausend Mann gegen ein Heer, das so viele Soldaten zählte, wie Sterne am Himmel waren, so hatte es zumindest Atur ausgedrückt. Aber sie bereiteten sich trotzdem auf den Kampf vor, als wäre der nicht bereits im Vorfeld verloren, sondern als hinge er allein von der Schlagkraft ihrer Strategie ab.
Tyke beneidete die Ewigen. Er selbst war schrecklich nervös
wegen der unmittelbar bevorstehenden Schlacht und hatte tatsächlich große Angst. Er beneidete die anderen um ihren Wagemut, die Entschlossenheit, mit der die fünftausend Soldaten, egal ob jung oder alt, verheiratet oder mit Kindern gesegnet, dem fast sicheren Tod ins Auge blickten. Er war nicht wie sie. Er war nicht würdig, dieselbe Uniform zu tragen oder an ihrer Seite zu kämpfen. Er war nicht einmal würdig, gemeinsam mit ihnen zu sterben. Denn er wusste, dass sie alle sterben würden, während sie bis zum Letzten kämpften, nur er würde wahrscheinlich ihre Ehre besudeln und bei einem Fluchtversuch den Tod finden. Damit zwang er sie, auch für ihn zu sterben. Er hing zu sehr am Leben.Wenn man nur so eine kurze Lebensspanne hatte wie ein Sterblicher, dann wollte man nicht sterben, bevor die Zeit dafür gekommen war. Aber ein Unsterblicher? Was empfindet man, wenn man ewig lebt? Was empfindet ein Ewiger im Angesicht des Todes? Er war versucht, diese oder ähnliche Fragen Atur, dem Regenten oder irgendeinem von der Freien Garde zu stellen. Doch dann begriff er, dass er sie damit nur verwirrt hätte.
Es war ein stürmischer Abend, als er noch einmal mit Atur zum nördlichen Wachposten zurückkehrte. Der eisige Wind, der ihnen durch die Haare fuhr und die blonden und schwarzen Strähnen verwirbelte, kam aus dem Norden - eine Brise, wie gemacht für eine Schlacht.Tyke war sogar, als trüge sie den Lärm der Schwarzen Truppen zu ihnen herüber.
Als er das Atur erzählte, lächelte der ihn traurig an und sagte: »Schau mal da hinunter!«
Tyke beugte sich über das Geländer und hielt den Atem an. Die Schwarzen Truppen waren aus den Wäldern herausgekommen und schlugen nun im Schatten der letzten Bäume ihr Lager auf. Es waren so viele, dass man sie nicht zählen oder auch nur abschätzen konnte. Mit Abscheu erinnerte sich Tyke daran, dass er vor gar nicht so langer Zeit auf ihrer Seite gekämpft hatte.
»Morgen?«, flüsterte er, und seine Augen suchten den klaren blauen Blick Aturs.
»Morgen.« Der junge Ewige nickte und senkte traurig den Kopf. »Es ist vorbei.«
In dieser Nacht schlief niemand in der Letzten Stadt.
NEUNZEHN
S LYMAN BRAUCHTE EINIGE Zeit, um den Rebellen und ganz besonders dem äußerst misstrauischen Lyannen zu erklären, wer er war, woher er kam und warum er nach ihnen gesucht hatte. Noch mehr Zeit benötigte er, um sie davon zu überzeugen, dass man auch Rabba Nix trauen konnte. Denn obwohl die sechs jungen Ewigen sich jemandem von ihrem eigenen Volk gegenüber von vornherein höflich und wohlmeinend verhielten, hegten sie doch jede Menge Vorurteile gegenüber Gnomen. Slyman musste sich eingestehen, dass er jahrelang dieselben Vorurteile gepflegt hatte, obwohl ihm der Einsame immer Respekt gegenüber anderen Völkern gepredigt hatte. Allerdings hatten die Gnomen auch einen besonders schlechten Ruf, und nach dem Zwischenfall mit den Pixies, der ihnen noch ganz frisch im Gedächtnis war, taten sich die Rebellen schwer, ihre Meinung zu revidieren.
Zum Glück war Rabba Nix wenigstens ein Ka-da-lun. Lyannen hatte schon viel von denen gehört, aber niemals, dass sie ein kriegerisches Volk wären wie die Pixies oder die P’shog. Sicherlich hätte die Diskussion darüber, ob man Slyman und seinem Gnomenfreund über den Weg trauen konnte, noch die ganze Nacht lang und bis weit in den folgenden Morgen gedauert, hätte nicht überraschenderweise Ventel erklärt, dass er für seinen Teil den beiden voll und ganz vertraute. Und da
Lyannen von der Unfehlbarkeit seines Bruders überzeugt war - schließlich hatte der bislang jeden ihrer Fehler wieder in Ordnung gebracht -, beschloss er, sich Ventels Sicht anzuschließen, worauf die anderen sich mehr oder weniger bereitwillig ihrer Entscheidung beugen mussten. Slyman nahmen sie gerne bei sich auf, da sie sein freundliches Wesen und die Tatsache, dass er ein Schwert der Ewigen am Gürtel trug, doch sehr beruhigte, aber Rabba Nix gegenüber verhielten sie sich zunächst ziemlich abweisend.
Als sie schließlich rasteten - es war schon spät in der Nacht und sie waren noch ein gutes
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