Gefaehrten der Finsternis
vermochten nichts mehr auszurichten. Die Stadt war zu weit entfernt, um auch nur darauf hoffen zu können, vor dem Tod noch einmal in das Gesicht eines Freundes blicken zu dürfen. Aus der Menge der Goblins und Kobolde erhob sich ein unartikuliertes Brüllen, und der Feind ging neuerlich zum Angriff über, wohl dem endgültigen,
entscheidenden, der auch dem letzten der fünftausend Helden das Herz brechen würde. Und Atur galoppierte an der Spitze seiner Männer, tötete Feinde wie eine Rachefurie und wollte offensichtlich kämpfen bis zum Letzten. Er schwang sein Schwert in Richtung der Stadtmauer und schrie dem Feind ins Gesicht, dann ritt er unter den ungläubigen Blicken seiner Männer ganz allein dem Tod entgegen.
Und da, ganz plötzlich, schwirrte die Luft von Pfeilen, wie ein Regen. Der Feind, durch diesen unerwarteten tödlichen Hagel überrascht, blieb verunsichert stehen. Alle schauten verwirrt nach oben.
Zunächst dachte Tyke, in dem wahnsinnigen Gedanken, den ein Kopf hervorbringt, der nur noch zu unklaren, unzusammenhängenden Bildern fähig ist, dass die Götter seine Bitten, die Bitten so vieler Sterbenden erhört hätten. Doch dann wandte er sich den inzwischen etwas näher gerückten Mauern der Letzten Stadt zu, sah auf und begriff. Auf der Brustwehr standen die Ehefrauen, Töchter und Mütter, die sich die Bogen ihrer Väter, Brüder, Söhne und Ehemänner geholt hatten, und zielten nun auf das feindliche Heer.Atur hob triumphierend die Faust gegen die Mauern und lachte wieder. Doch während er lachte, rannen ihm auch Tränen über die Wangen, und sein Lachen klang zutiefst traurig und bitter, bar jeder Freude und Hoffnung.
Plötzlich erhob sich unter den Feinden ein Raunen. Die Menge teilte sich, wich zurück und öffnete wie in Furcht einen Durchgang. Atur wendete sein Pferd und sein schönes Gesicht wurde ernst. Alle in seiner Umgebung hörten auf zu kämpfen, und auch von der Brustwehr kamen keine Pfeile mehr, weil sie von oben gesehen hatten, was da ankam. Bei diesem Anblick erlosch jede Kraft. Tykes Augen ruhten zunächst auf den Feinden, dann wandte er sich Atur zu und spürte, wie eine ungeheure Todesahnung nach seinem Herzen griff. Atur schien es ebenfalls verstanden zu haben, denn er stieg von seinem Pferd und ging
wie magisch angezogen mit langen Schritten auf die Mitte dieses Gedränges zu - auf diesen leeren Platz, der dem Auge eines Zyklons glich. Dort blieb er stehen und starrte ins Leere mit den Augen eines Mannes, der wusste, dass er dem Tod ins Gesicht sieht. Niemand hatte den Mut, ihn aufzuhalten. Oder ihn auch nur anzusehen. Alle schauten zu Boden, als er langsam vorüberschritt. Nur Tyke fand die Kraft aufzuschauen, und da sah er den Regenten, mit wirren Haaren und blutend, aber noch im Sattel, und empfand Mitleid mit ihm, weil er wusste, dass auch der nichts mehr tun konnte als zuzuschauen.
Die Menge der Feinde öffnete sich. Man hörte Schritte, die metallisch klangen, und Tyke sah, wie Atur um Fassung rang. Eine hochgewachsene dunkle Gestalt trat vor und sah Atur an. Alle hielten zitternd den Atem an, denn da vor ihnen stand der Tod. Der Dämon hatte seine Flügel ausgebreitet und sein skelettartiger, mit schwarzer Haut bedeckter Körper war vollkommen nackt. Er hielt ein langes Schwert mit einer wie Perlmutt schimmernden Klinge. Der Wind ließ seine langen feuerroten Haare wehen. Die gelben Katzenaugen waren starr auf Atur gerichtet und seine dünnen Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Lächeln.
»Du bist also derjenige, der es wagt, die Macht der Finsternis herauszufordern«, sagte der General der Schwarzen Truppen, Attilis Rubensis Vyrkan, mit eiskalter Stimme.
Alle erschauderten. Doch Atur hob den Blick, und dieser Blick war stolz und ungebrochen, der Blick eines Mannes, der zu viel gesehen hatte, um sich vor etwas so Banalem wie dem Tod zu fürchten. »Ja«, sagte er dann laut.
Der Dämon lachte freudlos. »Du bist unverschämt, junger Elbe«, sagte er. »Ein übler Fehler. Ich werde dafür sorgen, dass dir dein Hochmut vergeht.«
»Das werden wir sehen«, erwiderte Atur mit beinahe tonloser Stimme.
»Sehr gut«, zischte der Dämon. »Wir werden sehen, ob du immer noch so redest, wenn du vor mir auf den Knien um Gnade winselst.«
»Das werde ich niemals tun«, entgegnete Atur.
»Noch vor dem Mittag, junger Elbe, wirst du mich anflehen, dir das Leben zu schenken. Und ich werde es tun, das verspreche ich dir.«
»Niemals!«, schrie Atur, und seine Stimme
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