Gefaehrten der Finsternis
Mann vorwärts.
Doch diesmal sollten sie die Reihen der Feinde nicht so einfach durchbrechen.
Während sie tapfer und unermüdlich kämpften und die Linien der Goblins und der Kobolde durcheinanderwirbelten, folgten die nun einer genauen militärischen Strategie, sie hatten sich zu den Seiten des Schlachtfeldes postiert und zu einem festen Truppenblock formiert. Ein nicht zu übersehendes Hindernis zwischen den tapferen Männern der Freien Garde und der Festung der Letzten Stadt. Und wenn sie die Feinde während ihres ersten Angriffs mit der größten Leichtigkeit überwältigt hatten, wehrten die sich jetzt erbittert und bildeten eine Sperre, die ganz und gar nicht leicht zu überwinden war. Die Kampfkraft der Freien Garde wurde bald von den Säbeln und Äxten ihrer Gegner gebremst und die Schlacht tobte jetzt so hart und unerbittlich, wie beide Seiten es vorhergesehen hatten.
Die zahlenmäßige Überlegenheit des Schwarzen Heeres machte sich jetzt schnell bemerkbar. Obwohl die fünftausendundein Mann wie besessen kämpften, waren viele von ihnen verwundet oder ohne Pferd und einige waren nun auch schon den Säbelhieben ihrer Gegner zum Opfer gefallen. Atur trieb seine Leute schreiend in einen verzweifelten Angriff, brüllte ihnen zu, sie sollten den Mut nicht verlieren, doch nun schien das große Blutvergießen begonnen zu haben, das alle befürchtet hatten. Klingen senkten sich tödlich herab, Blut durchtränkte das Erdreich und die Uniformen, die Männer schrien und versuchten, sich einen Weg durch das schreckliche Meer der Feinde zu bahnen, das sie von allen Ecken aus angriff, sie bedrängte und in einer eisernen Umklammerung hielt - in einer tödlichen Umarmung, der wohl kaum jemand von ihnen entkommen würde. Tyke sah sich bestätigt, dass man sie in eine hinterhältige Falle gelockt hatte und der Feind sie nun wie Tiere abschlachten konnte. Hier auf diesem Schlachtfeld, wo ihnen einst das Kriegsglück gelächelt hatte, unter den Augen ihrer Frauen und Kinder, die von der Befestigungsmauer der Letzten Stadt aus zusahen. Und Tyke kämpfte wie noch niemals zuvor, bis zum letzten Atemzug und bis zum letzten Tropfen Blut würde er sich um sein Leben schlagen. Um ihn herum gab es nichts als Tod und Schreie, Schreie, die vom Himmel zu kommen schienen und die Erde erbeben ließen. Blut lief ihm über sein Gesicht und seine Hände und die rot schimmernde Klinge seines Schwertes schlug gnadenlos zu, seine grauen Augen waren so weit aufgerissen wie bei einem Tier auf der Flucht vor den Jägern. Schon lagen zahlreiche Männer der Freien Garde auf dem Boden im Staub, wurden von den Hufen der Pferde und den genagelten Schuhen ihrer Feinde niedergetrampelt. In der Ferne sah er, wie Aturs Pferd sich aufbäumte, und er hörte die Stimme des jungen Kommandanten laut und klar über den Schlachtlärm hinweg: »Schließt die Reihen! Schließt die Reihen! Rückzug!«
Trotz der Verwirrung und der hohen Verluste formierten sich die Reihen neu. Sie bestanden aus Männern, deren Gesichter vor Schmerz und Angst verzerrt waren, die in ihren Fäusten blutbesudelte Schwerter umklammert hielten und auf erschöpften, schnaubenden Pferden saßen. Doch sowohl Atur als auch der Regent waren noch am Leben und allein durch ihre Gegenwart schien das Häuflein Verzweifelter neuen Mut zu fassen. Wieder hob Atur sein Schwert und rief: »Angriff! Brechen wir durch! Auf zur Stadt!«
»Zur Stadt!«, brüllten die Männer und trieben ihre völlig erschöpften Pferde zum Galopp an. Ihr Angriff kam einige Meter weit vorwärts, bis er gestoppt wurde. Die Männer wurden auseinandergetrieben und von einem Haufen Goblins und Kobolde überrannt, die sich nun, eines leichten Sieges sicher, an kein Kampfschema mehr hielten.
Tyke konnte sich nicht zurückhalten, seine Lippen öffneten sich beinahe von selbst in einem schmerzlichen Aufschrei zum Himmel hin - zur Welt und zu den Göttern, die ihn doch irgendwo hören mussten. »Warum?«, schrie Tyke von Mirnar. »Warum?« Dabei liefen ihm Tränen über das Gesicht und die nach Blut schmeckenden aufgesprungenen Lippen. »Warum?«, schrie er noch einmal, doch er erhielt keine Antwort, nicht vom Himmel noch von der Erde, nicht von den Lebenden, die mit letzter Kraft kämpften, noch von den Toten, die niemandem mehr antworten konnten.
Weit in der Ferne trieb Atur die Seinen ein letztes Mal zum Angriff, doch die besiegten, geschlagenen, am Boden zerstörten Männer, die schon beinahe selbst tot waren,
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