Gefaehrten der Finsternis
Mischung aus Respekt und Furcht an den Tag. Nur jemand, der die Vergangenheit des Sire sehr gut kannte, konnte sich eine solche Vertraulichkeit herausnehmen. Denn Myrachon war nicht immer ein Ewiger gewesen, er war als Sterblicher geboren worden und war einer der fünf Gefährten gewesen, die gegen Algus gezogen waren. Mit Hilfe von Magie hatte er den vollen Status eines Ewigen erlangt, und auf Wunsch seines Vorgängers, der bei seinem Tod keine Nachkommen hinterließ, hatte er die Herrschaft übernommen. Lyannen fragte sich, wer nun wohl aus Myrachons Vergangenheit aufgetaucht war, der ihm diese Entwicklung zum Vorwurf machen konnte. Doch gleichzeitig brannte er darauf, den Brief zu Ende zu lesen. Er senkte den Blick wieder auf das Pergament und las mit rauer Stimme weiter, die sich in der absoluten Stille des Saales merkwürdig ausnahm.
Vielleicht sind ja doch noch nicht zu viele Jahre vergangen, und Ihr erinnert Euch, schrieb der geheimnisvolle Entführer in seiner eleganten Schrift, welche Schwierigkeiten Euch ein Mann namens
Algus bereitet hat, wahrscheinlich der einzige Mann, den man in den letzten drei- bis viertausend Jahren überhaupt als einen solchen bezeichnen darf. Ihr dachtet wohl, mit seinem Tod seien die Probleme für Euch gelöst. Aber es bereitet mir großes Vergnügen, Euch mitteilen zu können, dass dem nicht so ist.Vielleicht habt Ihr es nach ein paar Jahren Krieg ja auch schon selbst bemerkt.Wieder einmal ist es Euer Hochmut, der Euch in Schwierigkeiten gebracht hat. Damals, als Ihr Euch Algus’ entledigt habt, hättet Ihr eigentlich überprüfen müssen, ob er Nachkommen hinterlassen hat. Denn es gab einen Sohn, und Ihr habt es versäumt, ihn ebenfalls zu vernichten. Deshalb darf ich mich Euch nun voller Stolz vorstellen: Ich bin Algus’ Sohn und vielleicht solltet Ihr mich mehr fürchten als ihn.
Ich bezeichne mich gern als eine bessere Neuverkörperung meines Vaters: unsterblich wie er, aber unendlich viel mächtiger und bedeutend weniger weichherzig. Ich brauche Euch wahrscheinlich nicht zu sagen, dass auch ich die Ziele anstrebe, die mein Vater aufgrund unglückseliger Umstände nicht erreichen konnte.Wenn Ihr nun diese Zeilen lest, dann befindet sich Eure geliebte Prinzessin Eileen in meiner Hand. Ich werde dafür sorgen, dass ihr nichts Schlimmes geschieht, solange Ihr nicht versucht, zu meinem Lager hoch oben in den Nordlanden ganz in der Nähe des alten Druidenkreises vorzudringen, um sie mit Gewalt zu befreien. Ohnehin wäre das völlig unmöglich. Und ich bin großmütig und biete Euch Bedingungen für ihre Herausgabe, die Ihr nicht ablehnen könnt. Ich verlange von Euch, »Sire« Myrachon und den hochgeschätzten Hauptmann Vandriyan unverzüglich hinzurichten und die Krone des Königreiches an die einzige Person zu übergeben, der sie von der Abstammung her zusteht, nämlich mir. Ich bitte Euch, meinen Vorschlag ernsthaft in Erwägung zu ziehen, denn er ist ausgesprochen großzügig, und wenn Ihr ihn zurückweist, wird es keinen zweiten geben. Im Fall einer Ablehnung werden die Folgen schmerzlich sein, sowohl für Prinzessin Eileen als auch für Euch. Ich hoffe doch, ich habe mich klar ausgedrückt. Ihr braucht mir nicht zu antworten: Ich habe Augen an Orten, die Ihr Euch nicht vorstellen
könnt, und bin über alles, was Ihr tut, informiert. Und falls Ihr versuchen solltet, mich zu betrügen, werde ich es ebenfalls erfahren.
Ich verbleibe als Euer demütiger Diener, in Erwartung der Zeiten, in denen Ihr Euch zu den meinen erklärt. Der Herr der Finsternis
»Der Herr der Finsternis?« Entsetzt schaute Lyannen vom Pergament auf. »Und der will Algus’ Sohn sein? Der Kerl ist doch verrückt!«
Vandriyan nahm ihm sanft den Brief aus der Hand. »Verrückt oder nicht«, entgegnete er leise, »dieser Mann, wer auch immer er ist, meint es verflucht ernst. Und er hat uns zur Genüge bewiesen, dass er sehr gefährlich ist. Unsere Eileen befindet sich in den Händen dieses verfluchten Mistkerls.«
»Wir müssen etwas tun!« Validen mischte sich nun mit dumpfer Stimme ein. Ihm war jedes Lächeln vergangen. »Wir dürfen ihm Eileen nicht überlassen; und ganz sicher können wir seinen Forderungen nicht nachkommen.«
»Ganz sicher nicht!« Die Stimme des Hauptmanns klang ruhig und entschlossen. »Und das weiß er ganz genau. Er weiß, dass wir sein sogenanntes Angebot nicht annehmen werden, auch wenn es unsere letzte Chance auf dieser Welt wäre, und er weiß auch, dass wir ihm Eileen
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