Gefaehrten der Finsternis
Einsame hier wäre.Weißt du, wie sehr er mir
fehlt, Rabba Nix? Als ich mit ihm herumzog, glaubte ich, dass mir niemand etwas antun könnte. Jetzt dagegen bin ich allein und schutzlos. Wie sehr wünschte ich, er wäre hier, um mich zu beschützen! Das ist wohl ziemlich dumm von mir, oder? Früher oder später muss ich erwachsener werden. Aber ich habe Angst.«
»Das ist doch ganz normal«, sagte der Ka-da-lun. »Es wäre merkwürdig, wenn du keine hättest.«
Slyman hätte vielleicht noch etwas gesagt, wenn es nicht im gleichen Moment laut an der Tür geklopft hätte. Der junge Mann schnellte hoch wie von der Tarantel gestochen und hatte nicht mehr den Mut, etwas zu äußern. Er fragte sich, wie lange seine Nerven das noch durchhalten würden.
»Jetzt beginnt der Tanz«, sagte Rabba Nix und lauter ergänzte er: »Herein!«
Irdris erschien auf der Schwelle, mit ernstem Gesicht, und hielt eine Laterne hoch erhoben vor sich. Hinter ihr war Ayanna zu sehen. Sie lachte einmal nicht und hielt ein Reservelicht, das jedoch nicht brannte. Dann folgten Lyannen und seine Rebellen; sie waren in ihre Reiseumhänge gehüllt und wirkten ebenfalls äußerst nervös.Ventel, der neben Irdris ging, war der Einzige, der wie immer die Ruhe behielt.
Schweigend bedeutete Irdris Slyman, er solle sich beeilen. Der junge Mann stand auf, wickelte sich enger in seinen Umhang und ging, gefolgt von Rabba Nix, zu ihnen hinaus. Niemand wagte ein Wort zu sagen. Doch als Slymans Blick dem Lyannens begegnete, zwinkerte der Freund ihm zu. Slyman lächelte dankbar, bevor er sich wieder Ayanna zuwandte. Inzwischen hatte Irdris die Tür hinter ihnen abgeschlossen und wies ihnen mit hoch erhobener Laterne den Weg durch das verwinkelte Labyrinth von Fluren in der Festung der Amazonen.
Alle folgten ihr. Voran ging Irdris, Ventel fast neben ihr, dahinter Elfhall und Dalman. Dann folgten mit ein wenig Abstand Validen und der äußerst nervöse Drymn, Lyannen und Slyman
mit Rabba Nix. Ayanna beschloss den Zug und gab ihnen Rückendeckung; sie trug immer noch die andere, allerdings erloschene Lampe in der Hand.Wie in der Nacht von Lyannens erster Begegnung mit Irdris war niemand sonst auf den Fluren zu sehen. Lyannen fühlte sich in jene Nacht zurückversetzt, obwohl er genau wusste, dass inzwischen alles anders war. Die Festung, so dachte er, war ein richtiges Labyrinth. Hier konnte man tagelang umherirren, ohne einen Ausgang zu finden.
Schließlich kamen sie an eine Tür. Diesmal bedeckten nicht rote, sondern blaue Vorhänge den Eingang, ein Beweis dafür, dass sie einen anderen Trakt durchquert hatten. Irdris hob vorsichtig den Vorhang beiseite und schaute hinein. »Der Weg ist frei«, flüsterte sie Ventel zu. Und der nickte.
Alle folgten Irdris und Ventel, denen als Einzigen der Fluchtplan bekannt war. Obwohl Lyannen sich als Erster mit der jungen Amazone verständigt hatte, war die weitere Planung wie immer in Ventels Hände übergegangen. Und er hatte alles mit Irdris vereinbart, hatte entschieden, wie und wann sie den Fluchtversuch wagen würden, hatte Botschaften geschickt. Er war zweifellos der Kopf der Unternehmung. In gewisser Weise sah sich Lyannen seiner Rolle als Anführer beraubt.Ventel hatte Charisma, war lebenserfahren, wusste, Befehle zu erteilen und sich Gehorsam zu verschaffen. Es war unausweichlich, dass er sich an ihre Spitze stellte. Und trotzdem, dachte Lyannen, ist er nicht der Anführer unserer Mission. Und überhaupt: Beneidete er jetzt etwa schon seinen Lieblingsbruder?
Lyannen verjagte diesen Gedanken, der ihm widerstrebte, und konzentrierte sich ganz auf die Gegenwart. Der Raum, den sie gerade betreten hatten, konnte ebenso gut ein Lager wie eine Waffenkammer sein. An den Wänden waren Gegenstände aller Art aufgestapelt und lange Gestelle angebracht, an denen die unterschiedlichsten Waffen hingen: schwarze Langbogen und blitzende Amazonenschwerter, doch auch Klingen mit den Runeninschriften
der Ewigen, Köhleräxte und Jagdmesser und ein kostbares Schwert, dessen Griff mit Rubinen übersät war und das zweifellos einem Edelmann aus dem Nebelreich gehört hatte. Ayanna war zielstrebig auf eine Ecke des Raumes zugegangen und hatte sich dort an einem der Waffengestelle zu schaffen gemacht. Irdris war inzwischen durch eine kleine Tür in der Rückwand verschwunden und kam dann mit Reisesäcken beladen wieder. Darunter das noch unberührte Gepäck von Slyman und Rabba Nix, aber auch vier oder fünf andere Lederbeutel, die ein
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