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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Natur aus grausam sind. Als Geschöpfe der Finsternis können sie brutal und unbarmherzig sein und neigen sicher auch zum Sadismus. Aber jede Kreatur ist stets nur ein unvollkommenes Abbild ihres Schöpfers und auch die Finsternis hat keine absolute Macht über ihre Kinder. Die Dämonen leben schon seit Langem in dieser Welt und das hat Spuren bei ihnen hinterlassen. Sie haben eine tiefe und komplizierte Seele. Sie haben die wahre Liebe kennengelernt und das noch intensivere Band der Freundschaft. Sie wissen in eingeschränkter Hinsicht auch, was Loyalität und Treue ist. Und verfügen über ein spezielles Ehrgefühl. So würden sie zum Beispiel niemals ihre Familie einem Feind überlassen. Sogar Mitleid ist ihnen nicht fremd, auf ihre Weise.Aber sie sind schon sehr seltsam. Sie unterscheiden sich so sehr von Euch, dass ich bezweifle, dass Ihr sie je verstehen könntet, selbst wenn Ihr Euch darum bemühtet. Aber es heißt, dass abgesehen von der Finsternis niemand absolut böse sein kann, nicht einmal Dämonen. Es gibt so viele Vorurteile. Die mit Sicherheit zum Teil begründet sind. Aber andere sind einfach nur falsch.«
    »Versucht Ihr vielleicht gerade, unsere Feinde zu verteidigen?«, fragte Alvidrin lauernd.
    »Ich verteidige niemanden«, entgegnete Theresian. »Ich leugne keine der verabscheuungswürdigen Taten, die unsere gemeinsamen Feinde begangen haben. Ich sage bloß, wie es ist.«
    Die beiden Männer tauschten zornige Blicke. Ihre gegenseitige Abneigung war deutlich spürbar. Nach einem Moment angespannten
Schweigens fuhr Theresian in einem ganz ruhigen Tonfall fort mit seiner Erzählung, während ein unangenehmes Lächeln seine Lippen kräuselte: »Wie auch immer, ich habe bei den Dämonen gelebt. Und alles in allem ging es mir dort auch recht gut. Ich kannte die Ewigen, oh ja, ich wusste, dass ich ihnen sehr ähnlich war, besonders, was mein Aussehen betraf. Meine Mutter liebte ihr Volk sehr, sie wünschte sich von ganzem Herzen, wieder bei ihnen sein zu können. Doch das sollte ihr verwehrt bleiben und daher erzählte sie mir von ihren Leuten und schilderte sie in den glühendsten Farben. Und dennoch gelang es ihr nicht, diese Begeisterung auf mich zu übertragen. Ganz im Gegenteil, anstelle von Anerkennung und Liebe entwickelte ich Hass auf die Ewigen. Sie schienen mir so kleinlich, so besessen von der Vorstellung, ihr Blut rein zu halten. Wenn sie schon die Kinder aus Ehen mit Sterblichen hassten, die doch wie ihre jüngeren Geschwister waren, was für Gefühle würden sie dann einem wie mir entgegenbringen? Ihr selbst habt mich soeben die Frucht einer verbotenen Verbindung genannt.Vielleicht bin ich das ja, doch meiner Meinung nach herrschte in der Beziehung meiner Eltern weit mehr Liebe als in vielen Eurer arrangierten Ehen. So bewirkte meine Mutter mit ihren Schwärmereien letzten Endes nur das Gegenteil von dem, was sie damit bezwecken wollte, denn mich trieb nichts von Zuhause fort, um bei den Ewigen zu leben. Aber sie glaubte fest daran, dass ich eines Tages nach ihnen suchen würde. Nun ja, sie sollte recht behalten. Aber damals kümmerte mich das nicht, ich dachte nicht einmal im Traum daran. Sie dagegen war sehr betrübt und weinte viel. ›Mein armer Liebling‹, sagte sie, ›du hast die Augen deines Vaters, was für ein Unglück.‹ Das sagte sie allerdings nicht, weil sie ihn hasste. Ganz im Gegenteil, sie war ihm sogar sehr zugetan. Sie sagte ›was für ein Unglück‹, weil sie wusste, dass mir mit diesem Zeichen der Dämonen ein schweres Leben unter den Ewigen beschieden sein würde. Das wusste ich ebenfalls. Daher wollte
ich mit den Ewigen nichts zu tun haben. Ich war jung und naiv, ich nahm viele Dinge nicht wahr und vieles andere verstand ich noch nicht. Später wäre ich vielleicht dennoch zu ihnen gegangen. Doch der Krieg hat mir meine Entscheidung abgenommen.«
    »Aber Ihr habt gesagt, dass Ihr unter der Finsternis gekämpft habt«, bemerkte der Sire. »Wollt Ihr das jetzt abstreiten?«
    »Nein, nein, das leugne ich keinesfalls«, sagte Theresian offen heraus. Er mochte den Sire sichtlich lieber als Alvidrin. »In jenem Krieg habe ich nur einem einzigen Herrn gedient und das war die Finsternis. Deswegen könnte ich nun vielerlei zu meiner Verteidigung vorbringen, aber das werde ich nicht tun. Ich werde mich darauf beschränken, die Geschehnisse so zu schildern, wie sie waren. Ihr mögt dann über mein Verhalten urteilen. Zufrieden?« Er lachte wieder auf seine typische kurze

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