Gefaehrten der Finsternis
Einsame kannte diesen König kaum, doch er erkannte Aldrivin den Hochgewachsenen, der an seiner Seite in einem türkis-schwarzen Gewand ritt. Und er kannte auch den Jüngling auf der anderen Seite des Sire: Er war blutjung, trug ein gelbes Gewand und sprengte mit bloßem Kopf vor, während seine weißblonden Haare im Wind wehten. In der Faust
hielt er ein Schwert, in das eine Inschrift aus Runen eingeritzt war, um die Taille trug er einen alten Waffengurt aus eingerissenem Leder, der einen seltsamen Kontrast zu seinen feinen Seidengewändern bildete. Und ein Sonnenstrahl ließ den rotgoldenen Anhänger an seinem Hals aufblitzen. Slyman.
Der Einsame empfand Stolz bei diesem Anblick. Slyman, den er so liebte.Wie hatte er sich in der kurzen Zeit verändert! Als er ihn in das vom Schicksal bestimmte Los hatte ziehen lassen, war er kaum mehr als ein Kind gewesen und ganz bestimmt noch nicht erwachsen. Ein Knabe mit vielen hoffnungsvollen Ansätzen, aus dem alles und nichts werden konnte. Jetzt zeigte seine Erscheinung, seine stolze Haltung auf dem Pferd, seine Art zu kämpfen, dass aus ihm ein Mann geworden war, ein richtiger Mann. Der Prinz des Ewigen Königreiches.
Also hat er seinen Vater wiedergefunden, dachte der Einsame. Die Traurigkeit durchbohrte ihn schmerzhaft wie ein Schwert. Slyman war jetzt nicht mehr sein Schüler. Jetzt gehörte er dem Ewigen Königreich an. Er hatte alles wieder: seine Familie, sein Volk, seine Wurzeln. Nun brauchte Slyman ihn nicht mehr.
Doch der Einsame konnte sich mit einer Trennung nicht abfinden.
»Slyman!«, schrie er, und seine Stimme klang nach Freude und Schmerz zugleich. »Slyman!«
Er schwang sein Schwert und warf sich ins Schlachtengetümmel, kämpfte für ihn, um jetzt zu ihm zu kommen und damit er ihn nie wieder verlassen musste.
Die Schlacht erreichte bald ihren Höhepunkt. Die beiden Heere schienen einander ebenbürtig, jetzt da der Einsame,Viridian und die Droqq sich den Truppen des Ewigen Königreiches angeschlossen hatten. Der Kampf tobte heftig, chaotisch, ohne jede Gnade. Inmitten dieser tosenden Massen kam sich Tyke von Mirnar verloren vor. Er kämpfte inzwischen beinahe automatisch,
ohne auf das zu achten, was er tat.Anscheinend erkannte ihn niemand wieder, nicht einmal die Männer seines Volkes, die ihn zwar verblüfft ansahen, als sie ihn auf der ihrer Meinung nach falschen Seite entdeckten, bewaffnet mit einem Schwert der Ewigen. Die Schlacht um ihn wirkte beinahe irreal auf ihn. Inmitten all dieser Verwirrung suchte er nur einen und zugleich hätte er ihn am liebsten nie gefunden. Lucidious.
Auch in diesem Moment fiel es ihm schwer zu verstehen, warum er seinen Bruder, den König, treffen und ihn herausfordern sollte. Sicher, ihn verlangte nach Rache, der gerechten Rache für all das, was inzwischen geschehen war. Für das Böse, was er seinem Vater angetan hatte, dem alten Aldan, Deramion, Maranee und ihm selbst. Für das Bündnis, das er gebrochen und verraten hatte, und für den Pakt, den er mit dem Feind geschlossen hatte, für Aturs Tod und die Zerstörung der Letzten Stadt, für den Regenten, der Frau und Sohn verloren hatte, für Lyannen, dem man sein Mädchen geraubt hatte. Lucidious war an all dem beteiligt gewesen und dafür musste er büßen. Büßen, aber womit? Mit seinem Leben? Mit der Königswürde? Tyke hatte so oft darüber nachgedacht, ihn zu töten, aber tief in seinem Herzen wusste er, dass er dazu nie imstande sein würde. Schließlich war Lucidious immer noch sein Bruder. Würde ein Sterblicher denn je zum Mörder an seinem Bruder werden können?
Und dann blieb da die Herrschaft über das Reich. Tyke hatte sich nie darüber Gedanken gemacht. Wenn man Lucidious absetzte, musste man die Herrschaft an einen anderen übergeben. An die Söhne des Königs? Nein, das Volk hätte nie die Nachkommen eines Königs auf dem Thron geduldet, der für seine Untertanen zum Tyrannen geworden war. Es musste jemand anderer sein. Jemand, der auf der gerechten Seite gekämpft, der sich Lucidious widersetzt hatte. Deramion wäre der Richtige dafür gewesen, dachte er. Aber Deramion war tot und hatte keine Söhne hinterlassen. Und an dieser Stelle blieb nur noch
ein Mirnar übrig, der den Thron des Königs erben konnte. Er musste es sein.
Dieser Gedanke traf Tyke hart. Er als König des Nebelreichs? Oh nein, das ging nicht, das war völlig ausgeschlossen. Er war noch nicht reif für die Königswürde, ganz und gar nicht. Das war alles verkehrt. Diese
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