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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Möglichkeit war ihm vorher nicht einmal entfernt in den Sinn gekommen. Und jetzt wurde er sozusagen mit der Nase darauf gestoßen.
    Trotz allem suchte er weiter nach Lucidious. Das Getümmel um ihn wurde immer dichter. Stimmen verängstigter Feinde drangen an sein Ohr, sie erzählten etwas von Wesen, die von Westen gekommen seien. Er achtete nicht darauf. Inzwischen war hier alles möglich. Nichts war jetzt mehr wichtig. Der Augenblick, auf den er so lange gewartet hatte, rückte immer näher. Er und Lucidious, von Angesicht zu Angesicht. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis er ihn fand. Tatsächlich vertraute er auch darauf, dass Lucidious ihn ebenfalls suchen würde. Er hatte sicherlich nie aufgehört, nach ihm zu suchen.
    Doch diesmal würde er nicht vor ihm davonlaufen.
    Er bahnte sich einen Weg durch die feindliche Menge, zurück in Richtung Befestigungsmauern, immer auf der Suche nach seinem Bruder. Tyke schaute sich um. Irgendetwas hatte sich verändert. Die Feinde zogen sich zurück, es sah aus, als seien sie in Schwierigkeiten. Er sah genauer hin. Neue Kräfte zur Verstärkung, die von Westen gekommen waren, strömten auf die Ebene und fielen mitleidlos über die Schwarzen Truppen her, die jetzt in Auflösung begriffen wirkten, verwirrt von dem völlig überraschenden Verlauf des Kampfes. Schreie erfüllten die Luft, wilde Schreie der Neuankömmlinge beim Angriff, aber auch Schreie der überrumpelten Feinde.Wer konnte da noch gekommen sein? Jetzt waren sie näher bei ihm. Sie sahen aus wie mit schweren Streitäxten bewaffnete Männer zu Pferde. Aber das war doch nicht möglich! Tyke schreckte zusammen, als er sie erkannte.

    Zentauren!
    Wie konnte das sein? Wer hatte sie entsandt? Warum waren sie gekommen?
    Ihm blieb nicht die Zeit, darüber nachzudenken, denn in diesem Moment ertönte hinter ihm eine vertraute eiskalte Stimme.
    »Tyke von Mirnar! Was für eine nette Überraschung! Na, bist du immer noch gesund und munter?«
    Er drehte sich um, das Schwert fest in der Hand, sein Herz hämmerte heftig und pumpte ihm flüssige Wut durch die Adern. Er war es. Er stand dort. Endlich kam der Moment der Abrechnung.
    »Wer nicht stirbt, kommt immer wieder, Lucidious«, zischte Tyke. Seine Stimme klang ätzend wie Gift.
    Lucidious strich sich die schweren Haare aus seinem kantigen Gesicht, das den Zügen von Königen aus sehr fernen Tagen ähnelte, und lächelte. Ein sarkastisches, unangenehmes Lächeln lag auf seinen schmalen Lippen, durchzog wie ein Schlitz sein alabasterweißes Gesicht. »Das musst gerade du sagen«, bemerkte er höhnisch. »Ich glaubte eigentlich, du seiest bei der einen oder anderen Gelegenheit schon glücklich zu deinen Ahnen gegangen, und stattdessen finde ich dich hier, frisch wie der junge Morgen. Na, stehst du immer noch treu zu der Allianz und so weiter? Vermutlich ja.«
    »Da liegst du ganz richtig«, erwiderte Tyke. Jetzt hatte ihn jeder Skrupel verlassen. Und er fühlte nur noch den brennenden Wunsch, sich zu rächen.
    Lucidious zuckte mit den Schultern. »Na schön, deine geliebten Elben legen sich mächtig ins Zeug und bieten was fürs Auge, das muss ich zugeben. Zuerst diese Behaarten, jetzt die Zentauren, was für ein Auftritt. Ich nehme an, sie machen sich immer noch Hoffnungen, ganz egal, was bislang geschehen ist. Oh Heilige Einfalt. Sie wissen nicht, dass der Herr der Finsternis sie alle zerquetschen kann.«

    »Dich eingeschlossen«, sagte Tyke. »Du Idiot!«
    Lucidious Augen blitzten auf. »Kämpfe, du elender Wurm!«, schrie er. »Kämpfe, wenn du den Mut dazu hast!«
    Tyke lachte verächtlich auf. »Genau das wollte ich dir gerade sagen.«
    Ihre beiden Klingen kreuzten sich mit einem metallischen Klirren und trennten sich wieder. Beide traten einander entgegen und musterten den anderen genau. Sie wussten, dass sie hier auf Leben und Tod kämpften und nur einer diesen Kampf überleben würde. Obwohl sie Brüder waren, kannten sie die Fähigkeiten des anderen nicht. Sie waren nie gegeneinander angetreten, nicht einmal zum Spaß. Zwischen Tyke und Lucidious hatte nie brüderliche Nähe bestanden. Man konnte sogar sagen, sie kannten einander nur flüchtig.
    Lucidious täuschte einen Hieb nach rechts an, dann versuchte er, auf der anderen Seite zuzuschlagen, doch Tyke kam seiner Bewegung zuvor. Ein Lächeln kräuselte seine Lippen, während er selbst einen Schlag führte, dem Lucidious jedoch sofort auswich.
    »Es ist bekannt, dass man dir nicht über den Weg trauen kann,

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