Gefaehrten der Finsternis
allein aufstehen. Hilf mir bitte.« Und er streckte seine langen knochigen Finger aus.
Tyke seufzte, dann steckte er schulterzuckend sein Schwert in die Scheide, beugte sich über seinen Bruder und packte dessen
Hand. »Komm schon«, sagte er. »Beenden wir endlich diese Komödie!«
Lucidious graue Augen glitzerten boshaft, und seine Hand drückte die Tykes so stark, dass er ihm wehtat.Tyke versuchte, sich seinem Griff zu entwinden, doch Lucidious hielt ihn mit einer überraschenden Kraft fest. »Du bist unverbesserlich sentimental«, flüsterte er ihm zu. »Und deswegen werde ich jetzt dich töten.« Lucidious hob rasch sein Schwert und stieß es Tyke in den Bauch.
Tyke knickte in sich zusammen und spürte schon den Geschmack von Blut im Mund. Konnte er wirklich so sterben? War das das Ende?
»Tyke, nein!«
Wer hatte ihn da gerufen? Tyke war in diesem Augenblick so verwirrt, dass er es nicht begriff. Es war eine laute Frauenstimme, die seinen Namen geschrien hatte. Lucidious schaute überrascht auf und ließ die Hand des Bruders los.
Man hörte, wie ein Bogen mehrfach gespannt wurde und Lucidious stieß einen rauen Schrei aus.Tyke beobachtete, wie er in seinem Blut zusammenbrach, als sich nacheinander zwei schwarz gefiederte Pfeile in seinen Hals bohrten. Dann hörte er rasche Schritte, jemand packte ihn an den Schultern und half ihm auf.
Die Stimme von vorher tönte in seinen Ohren: »Geht es dir gut? Oh nein, bestimmt nicht. Verdammt, Tyke antworte mir doch! Zieh dich hoch! Komm! Ich helfe dir!« Wer auch immer das war, er half ihm aufzustehen und stützte ihn dabei. Tyke bedankte sich flüsternd, wobei ihn Wellen von Schmerz durchzogen, das Blut an ihm herabströmte und schwallweise aus der Wunde floss. Die weibliche Stimme fluchte. »Wie hat er dich bloß zugerichtet! Aber er hat seine Strafe bekommen.Warte. Nur einen Moment noch, dann bringe ich dich von hier weg. Leg mir deinen Arm um den Hals. So.«
Sie half ihm, und er drückte sich eng an ihren warmen Körper, klammerte sich dort fest und versuchte, mit ihr Schritt zu halten.
Der Kampfeslärm entfernte sich und alles um ihn wurde plötzlich feucht und dunkel. Das Mädchen musste ihn zu einer der Höhlen geschleppt haben, am Fuß der Hügel, die die Ebene von Syrkun umgaben.
»Ich verbinde dich jetzt, so gut ich es kann, und dann bringe ich dich nach Syrkun zurück«, hörte er sie sagen, während sie ihm half, sich auszustrecken. »Dort haben sie einen Heiler und man wird dich schon wieder zusammenflicken. Kopf hoch! Du kannst es schaffen. Jetzt zeig mal her.«
Tyke bewegte sich nicht, er hatte das Gefühl, dass er es nicht einmal gekonnt hätte, selbst wenn er wollte. Er ließ zu, dass sie ihn entkleidete, ihm Hemd, Kettenhemd und Hosen auszog, um sich die Bauchwunde anzusehen, die immer noch heftig blutete. Er spürte, wie sie sich über ihn beugte. Und schloss die Augen. Ihre Finger tasteten seine Haut ab, und es wirkte, als wüsste sie genau, was zu tun war.Tyke unterdrückte ein Stöhnen, als sie den Rand der Wunde berührte und ihm dadurch heftige Schmerzen zufügte.
Sie schnaubte, schnalzte mit den Lippen, als wäre sie besorgt, dann fuhr sie fort: »Dieser Mistkerl hat dir hier eine üble Verletzung verpasst. Und das hinterrücks! Ich würde ihn am liebsten gleich noch einmal umbringen, wenn er nicht schon tot wäre. Tyke! Kannst du dich ein wenig aufrichten? Nur so lange, bis ich dir die Wunde verbunden habe. Komm, das schaffst du schon. Das machst du sehr gut. Ja, setz dich hin.« Sie half ihm, sich an die Wand hinter ihm zu lehnen.
Tyke sah, wie sie dort im Halbdunkel Streifen aus ihrem Gewand riss und dabei leise Selbstgespräche führte. Dann wandte sie sich wieder ihm zu, sah sich noch einmal die Wunde an, verband sie ordentlich fest und versuchte, den Fluss des Blutes so weit wie möglich einzudämmen. Sie zog ihm Hemd und Hose wieder an und stieß einen Seufzer aus. »Da draußen tobt die Schlacht«, murmelte sie. »Aber wir müssen es versuchen. Ich muss dich nach
Syrkun zurückbringen. Da werden sie dich heilen können. Du kannst nicht hierbleiben.Vielleicht sollte ich rausgehen und versuchen, einen der Zentauren zu überreden, dich in die Stadt zu tragen. Das ist doch einen Versuch wert, oder? Warte hier. Rühr dich nicht von der Stelle. Ich bin gleich zurück.«
Und sie ging mit einem so leisen Rascheln ihres Gewandes, dass Tyke es kaum bemerkte. Er ließ den Kopf nach hinten sinken und ließ sich fallen.
Slyman hatte
Weitere Kostenlose Bücher