Gefaehrten der Finsternis
leuchtende tanzende kleine Punkte, führten sie ein langes Stück Weg durch die schweigende Nacht. Dann endete der Wasserlauf plötzlich in einer großen Weite. Lyannen hielt den Atem an.
Der Bach mündete in einen See, den die Bäume bislang verborgen gehalten hatten. Es war der größte See, den Lyannen je gesehen hatte und seine Ufer verloren sich in der Ferne. In seiner Mitte erstreckte sich eine weitläufige baumbestandene Insel, die mit vier klaren Kristallbrücken mit dem Festland verbunden waren. Sie ähnelten der Ersten Brücke in Dardamen und waren nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet. Zwischen den Bäumen, die am Rand der Insel einen dichten Schutzgürtel bildeten, strahlten die Lichter einer fernen Stadt.
»Mir nach«, hallte Krystals Stimme durch die Nacht. Sie folgten dem Schein der winzigen Fee über die Brücke bis auf die Insel. Nachdem sie dort noch einige Meter durch die bewaldete Uferzone zurückgelegt hatten, lag die Stadt von Feenquell vor ihnen: viele kleine beleuchtete Häuser von graugrüner Farbe. Im Vergleich zu den respektablen Bauten in Dardamen wirkten die meisten Häuser zwar klein, aber nicht so winzig, als wären sie ausschließlich für die Feen gemacht, sondern von hinreichender Größe, damit auch Ewige dort ein- und ausgehen konnten. Feen und Ewige hatten tatsächlich in alter Zeit viele Jahre lang Seite an Seite auf dieser Insel gelebt und auch die Stadt gemeinsam errichtet. Man hatte die größeren Häuser, in denen die Ewigen gewohnt hatten, stehen gelassen, um sie darin zu beherbergen, wenn sie hier auf ihrem Weg vorüberkamen. Die Feen brachten die Gefährten zu so einer Unterkunft: Es war ein großzügiger runder Wohnraum mit Vorhängen an den Fenstern, in dessen einer Ecke ein Kaminfeuer brannte. In der Nähe des Kamins standen kreisförmig angeordnet einige Sessel, doch es gab weder Betten noch Liegen, sondern nur sechs, an den Wänden mit Eisenringen befestigte Hängematten.
»Möge euch der Schlaf Erholung bringen«, wünschte Krystal ihnen und verließ den Raum. Die graue Tür schloss sich hinter ihr.
»Das ganz bestimmt«, erklärte Validen, gähnte laut und warf sich in eine der Hängematten. »Es klingt jetzt vielleicht etwas unromantisch, aber dieser Ort hat eine einschläfernde Wirkung auf mich.«
Drymn, der sich bereits neben ihn gelegt hatte, nickte träge dazu. »Ich glaube, das hat etwas mit den Blumen hier zu tun. Sie duften ganz seltsam.« Er zog eine Blüte aus seinen Haaren und schnupperte daran. »Irgendwie entspannend.«
»Diese Nacht werde ich endlich schlafen können«, sagte Elfhall. »Hier ist es so friedlich, wie ich es noch nirgendwo erlebt habe.
Als gäbe es überhaupt keinen Krieg. Ich könnte für immer hierbleiben.«
»Ja, ich würde auch gern bleiben«, erwiderte Dalman. »Doch unsere Reise wird uns demnächst an weniger glückliche Orte bringen. Dorthin führt uns das Schicksal.«
»Nein, ich«, meinte Lyannen seufzend und sah betrübt aus dem Fenster. »Mein verrückter Übermut, nicht das Schicksal.«
Ventel stellte sich neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Nenne es nicht verrückten Übermut«, sagte er. »Damit würdest du eine große Geste kleinreden. Nenne es deine Kühnheit, deinen Edelmut, dann sprichst du die Wahrheit.« Er schob den Vorhang weiter beiseite und sah ebenfalls hinaus. »Bist du müde?«, fragte er dann. »Ich nicht... trotz allem.«
»Ich auch nicht.« Lyannen schüttelte den Kopf. »Ich bin erschöpft, aber nicht schläfrig. Mir gehen zu viele Gedanken durch den Kopf, als dass ich jetzt schlafen könnte.«
Ventel legte ihm einen Arm um die Schultern und führte ihn zur Tür. »Dann lass uns die Sterne betrachten«, meinte er. »Und ich will dir eine Geschichte erzählen, durch die du vielleicht deine Meinung änderst.«
Dann verließen sie das Haus und blieben unter dem davorliegenden Bogengang stehen. Weil die Bäume nun die silbrigweiße Mondscheibe verdeckten, schienen die Sterne noch heller zu funkeln. Lyannen blickte zum Himmel auf und versuchte, einige Sternbilder zu erkennen. Er liebte das Licht der Sterne, die so fern, so losgelöst vom Elend der Welt schienen. Ohne darüber nachzudenken, begann er mit seinem Anhänger zu spielen. »Hast du mich hinausgeführt, um mir den Himmel zu zeigen?«, fragte er Ventel flüsternd.
Der zog einen der herumstehenden leeren Sessel zu sich heran und setzte sich. »Nicht nur deshalb«, antwortete er sanft. »Ich wollte dir eine Geschichte
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