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Gefährten des Zwielichts

Titel: Gefährten des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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Ruhe Eures Lagers und die Freuden des Horts aufgegeben und gekämpft. Aber hierfür? Für ein Kästchen aus einfachem Silber, für einen Edelstein von zweifelhaftem Wert, an den Ihr zudem nicht einmal herankommen könnt? Nein, das einzig Kostbare an dieser Schatulle ist der Zauber, der darinnen verborgen liegt. Und ein Drache liebt das Gold um seiner selbst willen, doch die Magie liebt er nur als Werkzeug. Und deshalb frage ich mich immer noch: Was wollt Ihr mit dem Kästchen anfangen?«
    Der Hals des Unkwitt zuckte hin und her, so dass die Schuppen an der Unterseite blitzten wie tausend Rubine. Knirschend scharrte der Leib über die Flanke des Schatzberges.
    »Du bist schlau, Zaubermensch«, zischte Grautaz. »Warum sollte ich mein Geheimnis mit dir teilen?«
    »Ist es denn ein Geheimnis?«, fragte Gulbert überrascht. »Wollt Ihr das Kästchen nur, um verborgen in Eurer Grotte mit seinen Kräften zu spielen? Wollt Ihr diese neue Macht nicht in die Welt hinaustragen, wo jeder sie sehen kann? Ich hatte nicht erwartet, dass Ihr das Kästchen zu kleinen und ganz eigenen Dingen gebrauchen wolltet, von denen niemals jemand erfahren darf.«
    »Ein Traum ist eigen«, erwiderte Grautaz, und seine Stimme nahm einen fernen Ausdruck an. Daugrula hatte das Gefühl, dass seine Augen abgewandt und in sich gekehrt waren und in diesem Augenblick keine Bedrohung darstellten. Der Unkwitt blickte in den Grund der eigenen Seele.
    »Eigen und klein, so klein, dass niemand anderes als der Träumer ihn sehen kann. Und doch ist ein Traum so groß wie das Leben selbst, und wenn ein Traum zum Leben erwacht, was könnte bedeutsamer sein? Weißt du, was ich träume, Zaubermensch?«
    »Wie könnte ich verstehen, was ein Geschöpf träumt, das so alt und so weise ist wie Ihr, oh Grautaz?«, sagte Gulbert bescheiden. Daugrula schaute sich um. Sie hatten sich schon gut zwanzig Schritt vom Drachenhort entfernt und bewegten sich auf jenen gewaltigen klaffenden Einschnitt zu, der nach draußen führte, zum Haupteingang der Drachenhöhle. Aber noch waren sie weit entfernt vom Ausgang der riesigen Grotte.
    »Im Traume sehe ich den Himmel schwarz von tausend Schwingen. Mein Volk ist es, meinesgleichen. Sie kreisen umeinander und über einem Boden aus dampfendem Stein und über Flüssen aus dem rot glühenden Mark der Erde. Es ist ein Traum von der Vergangenheit und ein Traum von der Zukunft.«
    »Wie kann das die Zukunft sein?«, warf Daugrula ein. »Ihr seid der Letzte der Unkwitt.«
    Der Kopf des Drachen fuhr hoch, wie aufgeschreckt aus einem Traum. Gulbert stieß mit dem Ellbogen nach Daugrula, aber er traf Balgir, der gereizt zischte und nach ihm schnappte. Der Arm des Zauberers zuckte zurück, doch Gulbert sprach ruhig weiter: »Aber sie hat recht, oh uralter Grautaz. Eure Geschwister haben diese Welt verlassen, und nicht wenige von ihnen, wenn ich recht gehört habe, unter dem Griff Eurer Kiefer.«
    »Hmmm«, schnurrte Grautaz. »Meine Brüder und Schwestern konnten eine Plage sein. Sind sie groß genug, haben sie es auf deinen Hort abgesehen. Man kann sie nicht in seiner Nähe dulden, das ist wahr. Und doch, wenn es sie gar nicht mehr gibt ... Ich sehne mich nach Kindern, die mich anbeten. Das Gewimmel am Himmel und die Ehrfurcht, wie sie von mir lernen und wachsen. Sie werden ausschwärmen und die Welt in Besitz nehmen und weiter wachsen.
    Und dann, wenn sie groß genug sind, die Herausforderung. Aaah, schön war es, die Zähne in ihren Hals zu graben, den Panzer der eitlen Jünglinge zu knacken, ihr Blut zu trinken, heiß und brodelnd von Kampf und Feuer. Ihr Schädel platzt auf, und meine Zunge kann ihre Gedanken schmecken, während ihr Schwanz noch schlägt und der Leib zwischen meinen Krallen zuckt.
    Keiner war mir ebenbürtig, sonst wäre ich nicht der Letzte. Aber der Kampf war einzigartig und der Sieg so süß wie das Fleisch der Besiegten. Aaah, diese Tage, voll Triumph und Siegestaumel. Man schwelgt und schlemmt, und man denkt nicht, dass es je enden könnte und dass auf das Blut des letzten Bruders ein Durst folgt, der nie zu stillen ist. Heute gibt es keine solchen Kämpfe mehr, keine solchen Tage. Aber Träume können lebendig werden.«
    Daugrula und Gulbert blickten den Drachen an, doch sie hielten den Kopf gesenkt, um dem Blick zu entgehen. Eine Frage drängte auf Daugrulas Lippen, ein einzelnes Wort, das sie gewaltsam zurückhalten musste: Wie?
    Wie wollte dieser verrückte Wurm Nachwuchs zeugen? Auf welchem Wege wollte er weitere

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