Gefährten des Zwielichts
scheute. Sukan fluchte, und Werzaz hörte, wie seine Unterschenkel gegen die Flanken klatschten. Doch dann war der Fürst vorbeigeritten, und die scharfkantigen Hufe entfernten sich.
Hastig rappelte Werzaz sich wieder auf und packte den Speer.
Sukan ritt einen Bogen, und Werzaz bereitete sich auf den nächsten Angriff vor. Wenn er nur lange genug durchhielt, um seine Rache zu bekommen und das Bitanerschwein mitzunehmen ... Er nahm allen Atem zu einem tiefen Brüllen zusammen und schüttelte herausfordernd die erbeutete Waffe. Dann holte er tief Luft und hörte den eigenen Atem wie aus weiter Ferne. Sein Kopf fühlte sich leicht an, und das Blut rauschte ihm in den Ohren.
»Ich habe deinen Speer, bitanischer Sauhirte!«, rief er. »Jetzt fehlt noch dein Kopf. Den steck ich darauf, damit Vögel und Maden sich drum balgen können!«
Keuchend hielt er inne und rammte den Speerschaft vor sich in den Boden. Dann stützte er sich erschöpft darauf, er brauchte eine Atempause. Sein trotziger Ruf hatte ihn Kraft gekostet. Bis der Fürst zum dritten Mal anritt, musste er wieder bereit sein.
Ein leichter Schwindel zupfte an seinen Sinnen. Erst jetzt wurde Werzaz bewusst, dass Sukan sein Ross nicht für einen dritten Angriff wendete, sondern sich nach Osten entfernte.
Sukan floh!
»Du feiger Werzelkäfer!«, rief er, aber es kam bloß als heiseres Krächzen aus seiner Kehle. Er lief hinter Sukan her, aber die gebrochenen Rippen schabten so hässlich aufeinander, dass sich Werzaz die Nackenhaare sträubten.
Werzaz wog den Speer in der Hand und zielte. Dann nahm er alle Kraft zusammen, tat ein paar Schritte und schleuderte die Waffe. In hohem Bogen flog sie hinter dem Pferd her, das sich in schwankendem Trab entfernte.
Werzaz biss die Zähne in die Lippen und verfolgte den Flug des Wurfgeschosses, die Hände auf die Knie gestützt. Der Speer sank auf den Bitaner hinab. Werzaz hatte den Wurf perfekt abgestimmt, aber die Entfernung war einfach zu groß, der Schritt des Pferdes zu unsicher. Der Speer traf Sukans Schlachtross hinter dem Sattel und drang tief in den Leib.
Das Tier scheute, schlug aus, dann brach es zusammen. Werzaz sah den Schaum von seinen Lefzen fliegen. Sukan riss den Fuß aus dem Steigbügel. Er kam neben dem Pferd auf, kippte nach vorn und fiel aufs Gesicht.
Rasch sprang der Bitaner wieder auf die Füße und wandte sich zu dem Goblin um. Blut tropfte ihm aus der Nase. Das Pferd lag heftig atmend daneben und wälzte sich im Staub. Weiße Wolken stoben auf und verhüllten Ross und Reiter wie ein Schneegestöber.
Werzaz fühlte sich so ermattet, als hätte dieser Wurf all seine Kräfte aus ihm herausgesaugt.
Schwerfällig setzte er sich in Bewegung. Er verengte die Augen zu Schlitzen. Das Sonnenlicht fing sich im wolkenden Staub und ließ die Luft flirren. Schemenhaft erkannte Werzaz in dem Gleißen eine Gestalt: Sukan.
Obwohl der Goblin den Speer geworfen hatte und nun unbewaffnet war, stellte der Bitaner sich nicht zum Kampf. Er floh zu Fuß weiter. Werzaz wurde schneller. Bei jedem Schritt scharrten die gebrochenen Rippen und bewegten sich unangenehm unter den Muskeln. Aber er konnte jetzt nicht aufgeben.
Als Werzaz zu dem Pferd kam, das inzwischen reglos dalag und leise schnaubte, hatte Sukan seinen Vorsprung noch vergrößert. Der Menschenfürst lief nach Osten und blickte sich nur dann und wann gehetzt nach seinem Verfolger um. Fast hatte es den Anschein, als käme Sukan zu Fuß schneller voran als zu Pferd.
Werzaz blickte auf das sterbende Pferd hinunter und erkannte, wie geschwächt das Tier gewesen war. Der Fürst musste ihm auf seiner Reise durch die Grauen Lande das Letzte abverlangt haben, während er selbst immer noch ausgeruht war. Ausgeruhter und kräftiger jedenfalls als der Goblin.
Mutlos ließ Werzaz sich fallen und blieb einfach hocken.
Es war vorbei.
Er war zu schwach, um den Feigling einzuholen. Der Rausch des Kampfes verflog. Werzaz war zumute, als würde sein ganzer Körper zerfallen und von ihm abblättern, bis nur der Schmerz übrig blieb.
Aber er war Werzaz der Goblin, und mit Schmerz konnte er umgehen.
Ächzend richtete er sich auf. Immerhin, er hatte seinen Gegner bezwungen und in die Flucht geschlagen. Und er hatte weiterhin einen Auftrag zu erfüllen. Er konnte sich ein wenig ausruhen, die Rippen verbinden, neue Kräfte sammeln. Und dann weiter nach Westen ziehen und seine Botschaft überbringen.
»Hörst du, bitanischer Schwammschwanz!«, rief er hinter seinem
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