Gefährten des Zwielichts
nicht weit verbreitet, und vermutlich hatte noch nie zuvor ein Nachtalb sich die Mühe gemacht, einen Goblin zu heilen.
Darnamur meldete sich zu Wort: »›Eine Spur von Blut und Verwüstung‹ hat der Bitaner gesagt. Was für eine Unverschämtheit! Haben wir uns nicht alle Mühe gegeben, unauffällig zu bleiben? Wir haben einen großen Bogen um jede Ansiedlung gemacht, sind nirgendwo eingebrochen und haben die Menschen gemieden. Trotzdem werfen sie uns alle möglichen Untaten vor!«
»Wir haben uns nicht ihnen zuliebe zurückgehalten«, erinnerte Wito.
Daugrula war immer noch mit Werzaz' Wunde beschäftigt. Konzentriert stocherte sie mit spitzen Fingern in dem Schnitt. Ihr Gesicht war ein wenig fahler geworden. »Aber wir haben uns zurückgehalten«, sagte sie, ohne den Blick zu heben. »Das zeigt, was die Menschen über uns denken. Und warum wir diesen Krieg führen müssen. Sie werden uns nie einen Platz in der Welt einräumen, wenn wir uns nicht einen erkämpfen!«
»Nun ja«, gab Wito zu bedenken. »So ungewöhnlich ist es nicht, beim Anblick eines Goblins an Plünderung und Verwüstung zu denken. Immerhin sind wir im Krieg. Womöglich gab es ja irgendwelche Kampfhandlungen, während wir durch Bitan gezogen sind. Dann haben diese Leute zufällig unsere Spuren in der Nähe gefunden und dachten sich ...«
»Das ist doch einerlei«, befand Daugrula. »Wichtig ist nur eins: Sie sind uns auf der Spur, und nach dem Kampf heute Nacht müssen wir Bitan so schnell wie möglich hinter uns lassen. Ich wollte eigentlich einen Bogen schlagen, von den Bergen fort, und die Sümpfe von Culecis umgehen. Nun aber müssen wir mitten hinein, denn so lassen wir die bewohnten Gegenden am schnellsten hinter uns und können am ehesten Verfolger ablenken.«
Sie richtete sich auf. Werzaz blieb zusammengekauert hocken und atmete schwer. Daugrula wandte sich an die Gnome. »Seid ihr in Ordnung?«
Darnamur nickte. »Die Klinge war nicht besonders scharf«, meinte er. Seine Stimme klang wieder leicht und unbeschwert, und auch seine Hände waren ruhig und zitterten nicht. »Mit dem Schwert konnte der Bitaner vielleicht zuhauen. Aber bevor man damit einen Braten anschneiden kann, müsste man es erst zum Schleifen bringen.«
»Gut«, sagte Daugrula. »Ich habe ohnehin keinen Zauber mehr für dich übrig.«
Sie lächelte nicht. Es war nicht zu erkennen, ob sie soeben einen Scherz gemacht hatte, ob sie den Wortwechsel ernst nahm oder ob sie gar nicht richtig zugehört hatte. So verschieden die beiden auch waren, Nachtalbe und Gnom, in gewisser Hinsicht passten sie zueinander, befand Wito. Es war nicht zu durchschauen, was in ihren Köpfen vor sich ging.
Daugrula kniete sich hin und gab schnalzende Laute von sich. Augenblicklich kam Balgir, ihr Taschentier, angelaufen, das beim ersten Anzeichen von Gefahr davongesprungen war und sich versteckt hatte. Jetzt legte die lange Echse sich wieder um die Schultern ihrer Herrin und ließ sich unter dem Kinn kraulen. Sie zischte aufgeregt.
Gibrax war ein Stück weiter den Hügel hinabgestiegen. Wo vor dem Kampf das Vieh gestanden hatte, befand sich ein großer Trog, der von einer frischen Quelle gespeist wurde. Der Troll riss ihn aus dem Boden und schüttete sich das Wasser über den Kopf. Dann stapfte er wieder zu den anderen. Unterwegs nahm er die Kuh von der Schulter, wischte sich mit dem Kadaver durch das Gesicht und rieb sich damit den Oberkörper trocken.
»Das ist eine gute Keule«, stellte er fest. »Vielseitiger als ein Baum. Gibrax wird sie behalten.«
Wito legte die Hand an die Stirn und seufzte.
»Fressen Trolle denn keine Menschen?«, fragte Skerna unbefangen und wie aus reiner Neugier. »Bitte entschuldige, wenn dich das beleidigt. Aber ich habe das auch immer gehört!«
»Früher mal«, räumte Gibrax ein und verzog verlegen den Mund. »Barbarische Zeiten das. Heute sind Trolle zivilisiert und viel schlauer. Gibrax schlägt Menschen nur auf Kopf und nimmt ihr Vieh. Dann ziehen Menschen neues heran, und Gibrax kommt bald wieder mit Keule und holt noch mal was zu essen. Wenn man Menschen selber frisst, wird man nur einmal satt. Trolle haben viel gelernt seit dunklen Tagen.«
»Aber diese Kuh willst du nicht essen?«, fragte Darnamur und wies auf den Kadaver, den Gibrax als neue Waffe erkoren hatte.
»Gibrax ist satt«, sagte der Troll.
»Aha!«, stellte Wito triumphierend fest.
Gibrax hob die Schultern und zog den Kopf ein. »Manchmal haut Gibrax zu fest zu. Und Mensch hier
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