Gefährtin der Dämmerung
hätte er sich keine Gedanken mehr über dessen Zukunft gemacht.
»Du hast was gut bei mir.«
Mit dem Themenwechsel wurde Vlads Gesichtsausdruck plötzlich ernst. »Stimmt schon. Aber in diesem Fall habe ich eine alte Schuld beglichen, also sind wir quitt.«
»Komm schon, Vlad, das passt doch nicht zu dir. Großzügig keit steht dir nicht.«
Er lächelte. »Hast ja recht. Du sagtest doch, du hättest dich über meine Vergangenheit schlau gemacht? Dann weißt du auch, dass ich einmal verheiratet war. Bei einer Schlacht unweit meiner Burg wurde ich am Kopf verwundet. Das wäre mein Tod gewesen, aber ich war schon seit ein paar Wochen ein Vampir.
Der Morgen graute, und ich schlief, wie alle neuen Vampire, die Stirn noch voller Blut. Meine Männer hielten mich für tot.
Ein Soldat lief zu meiner Frau und überbrachte ihr die traurige Nachricht. Du weißt, was dann geschah.«
Ja, das wusste ich. Sie war vom Dach ihrer Burg in den Tod gesprungen, weil sie der Gefangennahme durch den Feind und Schlimmerem entgehen wollte.
Und fast sechs Jahrhunderte später hatte Vlad mich davor bewahrt, das Gleiche zu tun.
Seine vernarbte Hand glitt über den Tisch hinweg zu meiner.
»Meine Frau stand allein auf dem Dach, als ich für sie hätte da sein sollen. Ich hatte ihr nicht gesagt, dass ich ein Vampir geworden war. Sie war schon so entsetzt über das, was ich getan hatte, um mein Volk zu schützen, dass ich glaubte, es würde erst recht einen Keil zwischen uns treiben. Ich hatte ja vor, es ihr irgendwann zu sagen, aber plötzlich war keine Zeit mehr. Seit sie nicht mehr ist, habe ich vieles getan, das sie abge stoßen hätte, aber an jenem Tag mit dir ... habe ich gespürt, wie sie mir zugelächelt hat. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert.«
Abrupt erhob er sich. »Genieße, was du hast. Wenn nicht, wirst du es den Rest deines Lebens bedauern. Bones sollte sich nicht scheuen, dir alles von sich preiszugeben, auch wenn er ein eingebildeter dahergelaufener Lümmel ist, der vom Schicksal weit großzügiger behandelt wurde, als er's verdient.«
Beim letzten Teil hatte er lauter gesprochen, weil Bones, dem rhythmischen Klang seiner Schritte nach, auf dem Weg zu uns war. Ich schenkte Vlad ein sarkastisches Lächeln.
»Neidisch, was?«
»Natürlich. Aber das ist nur eine meiner vielen verabscheu ungswürdigen Eigenschaften. Noch eins, Catherine ...« Er beugte sich so weit vor, dass nur ich ihn hören konnte. »Ich hätte dich nie springen lassen.«
Und mit diesen Worten verließ Vlad die Küche, wozu er die andere Tür benutzte, um Bones nicht über den Weg zu lau fen. Diesmal vermutlich nicht aus Abneigung gegenüber Bones, sondern weil er sich nicht noch einmal von ihm danken lassen wollte. Als wäre es ihm unangenehm, daran erinnert zu werden, dass er etwas Nettes getan hatte.
Bones kam in die Küche, schaute Vlads davoneilender Gestalt hinterher und dann zu mir. Schließlich verdrehte er die Augen.
»Verdammt noch mal, Kätzchen, sag mir nicht, du magst dieses eingebildete Arschloch.«
Ein Lächeln spielte um meine Lippen.
»Doch, irgendwie schon.«
In der Nacht hatte Bones mir versichert, Tate wäre komfortabel untergebracht und keinerlei Gewalt ausgesetzt. Als ich ihn jetzt in der winzigen Zelle sah, die man am ehesten als Verlies hätte bezeichnen können, war ich außer mir vor Zorn.
»Das verstehst du unter komfortabel? Und was ist für dich ein wenig beengt? Der Vorhof zur Hölle?«
Mein ätzender Tonfall ließ Bones kalt. Er musterte die blutige Gestalt, die vor uns an die Wand geschmiedet war.
»Ihm ist nichts geschehen, er ist lediglich fixiert. Das Blut stammt sicher noch von letzter Nacht. Ihm wären vielleicht ein weiches Bett und ein schöner leckerer Hals lieber gewesen, aber in Anbetracht seiner Tat kann man das wohl kaum als qualvolle Folter bezeichnen.«
Er sprach laut und deutlich und in beißendem Tonfall, sodass es jeder mitbekommen konnte. Ich widerstand dem Drang zu verlangen, dass man Tate losmachte. Schließlich war der wahre Verräter noch auf freiem Fuß, und wir hatten keine Ahnung, um wen es sich handelte.
»Du hast echt ein Riesenglück, Arschloch«, murmelte Tate.
Purer Hass lag in seinen Worten. Seine Augen leuchteten in reinem Smaragdgrün, als er Bones anfunkelte.
Der lachte. »Weißt du, Kumpel, als ich heute Morgen auf gewacht bin und sie in meinen Armen geschlafen hat, habe ich mich tatsächlich wie ein Glückspilz gefühlt.«
Verwünschungen ausstoßend stemmte
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