Gefährtin der Dämmerung
Tate sich gegen seine Fesseln.
Ian klopfte Bones leise lachend auf die Schulter. Er hatte in der Nacht Wache gestanden.
»So keift er jetzt schon, seit du wieder da bist, Crispin. War ganz unterhaltsam, ihm zuzuhören. Ah, Rodney, übernimmst du jetzt? Gut, ich bin völlig kaputt.«
»Danke Ian, ruh dich aus. Wir sprechen uns später.«
Bones war sich zwar nicht hundertprozentig sicher, glaubte aber im Grunde nicht, dass Ian der Verräter war. Ich sah das ein wenig anders, aber das kümmerte Bones nicht. Da Tate für den wahren Täter ein Risiko darstellte, musste er von zuverlässigen Leuten bewacht werden.
Jetzt waren Rodney, Bones und ich mit Tate allein. Der un terirdische Bereich, in dem wir uns befanden, war abgeriegelt und hatte nur einen Zugang. Wir würden nur jetzt mit Tate sprechen können, weil es später verdächtig gewirkt hätte. Im Augenblick allerdings schien es nur natürlich zu sein, dass ich dem Verräter persönlich gegenübertreten wollte.
»Wie konntest du das tun, Tate?«, fragte ich ihn. Der lange Gang vor Tates Zelle ließ jedes Wort hallen, sodass Flüstern keinen Sinn hatte.
»Ich hasse ihn, aber ich war es nicht«, antwortete Tate.
Ich zog einen kleinen Notizblock und einen Kugelschreiber unter meinem Sweatshirt hervor. Tate beäugte mich argwöh nisch. Ich nickte Rodney zu, der einen von Tates angekette ten Armen losmachte. Ihn ganz zu befreien hätte zu viel Lärm gemacht, und Bones war immer noch auf der Hut. Außerdem wollte er nicht, dass Tate in meiner Nähe frei herumlief, weil er fürchtete, der würde mich lieber tot als mit Bones vereint se hen wollen. Für ihn war Tate nach wie vor der Schuldige, egal was ich sagte.
Rasch kritzelte ich ein paar Worte auf den Block und hielt ihn so, dass Tate ihn sehen konnte.
Ich glaube dir.
Tränen traten ihm in die Augen. Ich musste mich schwer zu sammenreißen, damit ich ihm nicht um den Hals fiel und ihm versprach, dass alles gut werden würde. Tate ruckte mit dem Kopf, woraufhin Rodney ihm Stift und Papier brachte.
»Ich glaube dir aber nicht, mein Freund.«
Bones' Tonfall war regelrecht boshaft gewesen, und für ei nen Lauscher wirkte es, als hätte er allein auf Tates Unschulds beteuerung reagiert. Rodney warf einen entrüsteten Blick auf das von Tate beschriebene Blatt und gab es dann an mich weiter.
Ich liebe dich, Cat.
»Ist mir doch egal, was du glaubst, du falscher englischer Hu renbock«, war sein Kommentar an Bones.
Na ja, wir wollten ja, dass es glaubwürdig klingt, dachte ich spöttisch. Das hätten wir dann wohl erreicht.
»Willst du wissen, was ich glaube, Arschgesicht?«, fuhr Tate fort. »Ich glaube, du hast deinen Tod nur vorgetäuscht und sie vor Kummer fast umkommen lassen, damit du auf wundersame Weise wieder auftauchen und deinem verhassten Nebenbuhler die Schuld in die Schuhe schieben kannst. Du suchst doch schon nach einem Vorwand, mich abzumurksen, seit du wieder in ihr Leben getreten bist. Warst das Warten leid, was?«
Bones schnaubte aufgebracht. »Du glaubst also, ich würde ihr das antun, nur um dich loszuwerden? Vollidiot.«
Du schweifst vom Thema ab!, schrieb ich und wedelte Bones mit dem Block vor der Nase herum, weil ich in meiner Auf regung ganz vergessen hatte, dass ich die Worte nur hätte den ken müssen.
Bones sah nicht einmal hin. »Du hast einfach nicht genug Klas se für sie, mein Freund. Mann, deine bisher größte Tat war es, ein Mordkomplott gegen mich zu schmieden. Hältst du immer noch an deinen Unschuldsbeteuerungen fest? Damit machst du dich selbst wieder zu einem Nichts, das nie ihre Beachtung finden wird. Was bist du also, ein Verräter oder ein trauriger Loser?«
Tates Antwort konnte nur falsch ausfallen. Entschied er sich für das eine, war das sein Todesurteil, entschied er sich für das andere, war er für Bones kein ernstzunehmender Gegner mehr.
Darüber hätten wir jetzt diskutieren können, aber das würde bis später warten müssen.
Tates Blick wurde noch wütender als zuvor, was eine ziemliche Leistung war. Bones wartete mit spöttisch verzogenen Lip pen. Ich war noch dabei, den Notizblock vollzukritzeln, als Tate antwortete.
»Eins wollen wir mal klarstellen: Wenn du mich tötest, dann nicht, weil ich der Täter bin. Ich habe dich nicht an Patra verraten, aber meinen Glückwunsch an den, der's war. Wenn du mich umbringst, dann weil du Angst hast, dass Cat eines Tages mich dir vorzieht. Die Entscheidung liegt also bei dir, Gruftie, was willst du
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