Gefährtin der Dämmerung
mich. Als er bei mir war, bereit, mir den Todesstoß zu versetzen, drehte ich mich zur Seite und rammte ihm die eigene Waffe tief in den Magen. Auch sein Herz war bald von scharfen Silber klingen durchbohrt. Alles geschah in weniger als einer Sekunde.
»Du blöder Idiot, hast wohl nicht aufgepasst, als Bones dir beigebracht hat, nicht drauf reinzufallen, wenn jemand blufft.«
Thomas erstarrte zum Eisblock. Ich beugte mich zu ihm, mei ne Stimme an seinem Ohr war fast ein Flüstern.
»Grüß Bones von mir«, sagte ich, als ich ihm das Messer im Herz herumdrehte. »Wenn er dich in die Finger bekommt, wird es dir erst richtig leidtun.«
Ich versetzte Thomas' allmählich schrumplig werdenden Leib einen Fußtritt, der ihn in den Orchestergraben beförderte. Dann steckte ich mein Messer zu den anderen an den Gürtel zurück, ohne mir erst die Mühe zu machen, das Blut abzuwischen.
In den hinteren Rängen war Unruhe ausgebrochen. Türen wurden aufgerissen. Als ich den Blick hob, trat Mencheres vor und ergriff meine Hand.
»Cat, es tut mir sehr leid. Ich hätte nicht gedacht, dass sie das tun würde«, krächzte er. »Bei einer offiziellen Versammlung darfst du sie nicht angreifen, das verstößt gegen unsere Gesetze.
Du würdest uns alle ins Unglück stürzen.«
Ich hatte mich schon gefragt, wer die fünf Vampire wohl wa ren, die gerade den Saal betreten hatten, aber jetzt war alles klar.
Spätankömmlinge, hatte ich zuerst gedacht. Doch Mencheres hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da belehrte mich dieses beschissene Lachen eines Besseren. Ich kannte dieses Lachen. Es hatte sich mir ins Gedächtnis gebrannt.
»Mencheres, mein Gemahl, willst du mich nicht begrüßen?«
Meine Fingerknöchel traten weiß hervor, als ich Mencheres'
Hand so fest drückte, dass ihm die Knochen schneller brachen, als sie heilen konnten. Patra hatte ihn angesprochen, aber ihre Augen waren allein auf mich gerichtet, während sie mit schlan-genhafter Anmut den Gang entlangglitt.
Patra trug nicht den strengen Pagenschnitt, mit dem die al ten Ägypter in Filmen über ihre Mutter so oft dargestellt wur den. Nein, ihr langes schwarzes Haar war von Goldfäden durch zogen. Auch ihre Augenbrauen waren nicht so breit, wie Hol lywood uns glauben machen wollte. Eigentlich waren sie sogar schmal. Wie ihre ganze Gestalt. Ihre Haut war bleich, aber dunkler als meine. Fast honigfarben. Ihre Nase war nach heu tigen Maßstäben ein klein wenig zu lang, aber Patra war zwei fellos eine Schönheit.
»Warum?«
Ich ließ Patra nicht aus den Augen, während ich Mencheres die Frage entgegenschleuderte. Ich war angespannt bis aufs Äu ßerste. Töte, war alles, was ich denken konnte.
»So sind unsere Gesetze. Als meine Ehefrau darf sie bei jeder öffentlichen Versammlung zugegen sein, nur angreifen darf sie uns nicht. Wir sie allerdings auch nicht. Sie will dich zur Gewalt verleiten, aber schenke ihr keinen so leichten Sieg.«
Oh, zur Gewalt verleitete sie mich durchaus. Am liebsten hätte ich sie in Stücke gerissen und mich in ihrem Blut gesuhlt. Meine Augen blitzten auf, hasserfüllte grüne Strahlen trafen sie.
»Hallo Schlampe.«
Sie lachte abermals, schmeichlerisch, gurrend. »Du bist also das Mischlingsmädchen. Erzähl doch mal.« Ein Leuchten trat in ihre Augen. »Hast du in letzter Zeit gut geschlafen?«
Ein Teil von mir war erstaunt, dass ich noch nicht an die De cke gegangen war. Der andere Teil hörte mich munter und ver gnügt lachen, was so gar nicht zu meiner Stimmung passte.
»Mehr hast du nicht drauf? Oh Patra. Wie langweilig.«
Was auch immer sie erwartet hatte, das nicht. Mann, ich war ja selbst erstaunt über mich.
Patra ließ sich nicht gern auslachen. Ihr zorniger Gesichts ausdruck war der Beweis.
»Ich bin nicht so dumm, wie du dir erhoffst«, fuhr ich fort.
»Und jetzt halt die Klappe oder verpiss dich, du hältst nämlich den ganzen Betrieb auf. Dagegen muss es doch auch ein Gesetz geben.«
»Ich gehe.« Ihr Lächeln war verächtlich. »Ich habe gesehen, was ich sehen wollte. Du bist ein Nichts, und bald nicht einmal mehr das. Aber bevor ich euch verlasse, sollte ich dir vielleicht verraten, warum es überhaupt zu diesem Krieg gekommen ist.
Das hat dir mein Gemahl sicher nicht erzählt, oder?«
»Was?«
Sie lachte wieder, und ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass ich das Geräusch mehr hasste als jedes andere.
»Hast du dich noch gar nicht gefragt, warum ich mich über haupt gegen Mencheres gewandt habe? Wäre es
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