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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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an, seine Hände zitterten schwach. »Sarai wäre ebenfalls weggelaufen, wäre sie in meiner Lage gewesen, das kann ich dir versichern. Einer von uns musste überleben. Die Alternative wäre höchst … unglücklich gewesen.«
    Unglücklich? Das traf es wohl nicht ganz. Ich hatte immer noch den Geruch von Sarais Blut in der Nase, spürte ihren kräftigen Griff an meinem Handgelenk, ihren Schmerz, ihre Entschlossenheit. Sie kämpfte darum, mir zu helfen, auch am Ende noch. Wut flammte auf. »Du klingst nicht sonderlich betroffen.«
    Sucher verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum sollte er auch? Er ist eine Haut , Jägerin. Ein Avatar. Sterblichkeit kann seine Spezies nicht erschüttern.«

    Als ich diese Worte hörte, durchströmte mich eine glühende Hitze, mein Magen fühlte sich schwach an. Erneut hatte ich das Gefühl zu ertrinken. Ich musterte die beiden Männer und sah dann Grant an. Ich erwartete eine verwirrte Miene, und - zugegeben, er schien auch ein wenig verwirrt. Aber vor allem strahlte er eine schmerzliche Resignation aus, als hätte er diese Geschichte schon einmal gehört.
    Er erwiderte meinen Blick und zuckte fast unmerklich die Achseln. Ich knirschte mit den Zähnen. »Jemand sollte mir das erklären. Und zwar auf der Stelle!«
    Das Schweigen wog Tonnen. Ich berührte Byrons Hand.
    »Der Junge ist zäh«, meinte Jack. »Er wird sich erholen.«
    Ich warf ihm einen scharfen Blick zu. »Ich will wissen, was du bist!«
    Jack zupfte an dem Zellophan, das die Sandwiches einhüllte. Er schien so normal zu sein, wie ein alter Mann es nur sein konnte, so ordentlich in der Hose und dem Tweedsakko, sein früher sicherlich attraktives Gesicht wirkte immer noch kantig und ausdrucksvoll. Hätte ich nicht gesehen und gehört oder würde nicht wissen, was ich wusste, so hätte ich mich für verrückt erklärt, eine solche Frage zu stellen, mir auch nur vorzustellen, dass dieser Mann etwas anderes sein könnte, als er nach außen hin zu sein schien: liebenswert, brillant, ein bisschen ungelenk und schüchtern; ein Mann, den ich mit Vergnügen meinen Großvater genannt hätte, ein Mann, von dem ich immer noch wollte, dass er zu mir gehörte, von meinem Blut war, Großvater, Familie.
    Aber das Äußere täuschte. Zombies nutzten das ständig aus. Und jetzt war ich die Genarrte.
    Jack betrachtete seine Hände, wie Sarai es auch getan hätte, als wären sie neu und unvertraut, eine Last oder ein Wunder. »Ich bin ein Mensch. In diesem Leben bin ich menschlich. Ich
war schon oft ein Mensch, viele Jahre lang. Ich bin auch andere Kreaturen gewesen. Aber jetzt, hier, bin ich Jack Meddle. Ich bin diese Haut.«
    Mein Herz setzte einen Schlag aus. »Und unter dieser Haut?«
    Seine Wangenmuskeln traten hervor. »Bin ich … etwas anderes.«
    Grant beugte den Kopf zu mir. »Seine Aura ist multitonal. Sie besteht aus zwei Schichten, eine liegt über der anderen. Ich dachte schon, ich hätte es mir eingebildet.«
    Jack stieß einen protestierenden Laut aus. »Junge, du solltest nicht einmal in der Lage sein, das zu sehen. Deine Augen sind viel zu gut.«
    »Meine Augen sind genau richtig. Es gibt nichts daran auszusetzen, die Wahrheit zu sehen.«
    »Das kommt drauf an«, erwiderte der alte Mann und warf ihm einen abschätzenden Blick zu, der mir Unbehagen einflößte. Doch dann sah er mich an, offen und aufrichtig. »Dieser Körper ist mein Avatar. Meine Hülle. So wie jeder Mensch auf diesem oder irgendeinem anderen Planeten nur eine Hülle ist. Eine Hülle, die der Seele ein Heim bietet.«
    »Der Seele«, wiederholte ich.
    »Der Seele. Energie mit einem Zweck. Energie mit einem Verstand. Und meine Spezies hat vor sehr langer Zeit gelernt, nur als diese Energie zu leben.«
    Seine Worte schwirrten um mich herum. Ich versuchte, mich zu konzentrieren, aber meine Gedanken zuckten, als wäre Jack ein Feuer und ich ein Pferd, gefangen in einer Scheune, das den Rauch wittert und keinen Ausweg sieht. Ich hätte ihm gern entgegengeschleudert, dass er ausgemachten Blödsinn redete, aber ich konnte es nicht. Aus seinen Augen sprach die Wahrheit. Und das Gefühl in meinen Eingeweiden sagte: Ja, das weiß ich.

    Es flößte mir Angst ein. Ich hatte das Gefühl, von der Welt verschlungen zu werden. Ich krallte meine Zehen in meine Stiefel, wackelte mit ihnen, bis sie wehtaten. Ich musste mir ins Gedächtnis rufen, dass meine Füße auf dem Boden standen, auf festem Boden. Im Hier und Jetzt.
    Langsam atmete ich aus. »Woher hast du diesen

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