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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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ist hier nicht sicher.«
    Das war es nicht. Und zwar nicht nur, weil Byron sich als Ziel entpuppt hatte, vorübergehend oder nicht. Das Bedürfnis, den Jungen wegzuschaffen, hatte einen tieferen Ursprung. Es war fast wie ein primitiver Trieb, der sich so ähnlich anfühlte wie mein Atemreflex.
    Der Blick, mit dem mich Grant streifte, war dunkel, wissend. »Ich habe bereits gefragt. Sie werden Byron nicht entlassen, bis sie sicher sind, dass seine Gehirnerschütterung keine gefährlichen Folgeerscheinungen nach sich zieht. Und in diesem Fall stimme ich mit den Ärzten überein.«
    Jack räusperte sich. »Die Umstände haben sich etwas geändert. Als ich … hier ankam, habe ich mir die Freiheit genommen,
die physischen Schäden am Hirn des Jungen zu heilen. Er kann also verlegt werden … falls Sie das wünschen.«
    Grant und ich starrten den alten Mann an. Sucher lächelte säuerlich und betrachtete seine Stiefel, als faszinierte ihn nichts mehr als schwarzes Leder. Ausgenommen vielleicht ein paar Lektionen darin, wie man einen alten Groll am Kochen hält.
    Ich biss mir auf die Innenseite der Wange. Meine Fragen konnten warten. »Grant, kannst du den Arzt umstimmen? Ihn überzeugen, dass Byron verlegt werden sollte?«
    Er nahm den Blick nicht von Jack, während er kurz überlegte. »Gib mir zehn Minuten.«
    Damit humpelte er aus dem Zimmer. Ich wartete auf ihn, umhüllt von verlegenem, ungemütlichem Schweigen, das so surreal war wie ein schlechter Traum, umringt von Fremden und Fremdartigkeit. Jack starrte an die Wand. Eine Falte bildete sich zwischen seinen Augen, und er bewegte die Lippen wie in einer lautlosen Konversation.
    Sucher gelang es derweil, selbst das einfache Sitzen in einem Stuhl wie einen aggressiven Akt wirken zu lassen. In seinem Blick lag eine Schwere, die sich wie eine riesige Narbe anfühlte. Ich hatte kein Gespür für diesen Mann, und in dieser Ignoranz fühlte ich mich gefangen. Ebenso wie in seinem Hass, der mich auf eine unerklärliche Art verletzte, wortlos machte. Mutlos.
    Die Jungs halfen mir. Sie träumten auf meiner Haut. Meine kleinen Freunde. Aber in meinem Herzen war ich allein. Ich hatte mich noch nie so allein gefühlt.
    Ich hielt Byrons Hand, griff mit der anderen in meine Gesäßtasche und zog die Steinscheibe heraus. Sie fühlte sich warm an. Perlmutternes Schimmern schien durch die glatte dunkle Oberfläche zu dringen, durch diese silbrigen Adern der konzentrischen Rillen. Ich legte den Stein auf den Schoß und fuhr mit meinen Fingern über die Rillen. Mir schwindelte.

    Eine große runzlige Hand umfing mein Handgelenk. Jack. Ich hatte nicht gehört, wie er sich bewegte. Er sah mich an, drängend. »Nicht hier, Liebes.«
    Ich blinzelte. »Nicht hier was ?«
    »Zeig das nicht.« Er deutete mit einem Nicken auf den Stein. »Das Geschenk deiner Mutter ist weit mehr, als es den Anschein hat.«
    »Das fand Ahsen auch«, murmelte ich.
    Jack zuckte zusammen. »Sie hat es gesehen?«
    »Sie hat es sogar angefasst.«
    Einen Moment lang glaubte ich, bei meinen Worten würde ihn der Schlag treffen. Sein Gesicht verzerrte sich vor Anspannung, als versuchte er mit aller Kraft zu verhindern, dass es zerplatzte. Mein Mund trocknete plötzlich aus. Ich spürte, wie Sucher aufstand, mich anstarrte, wagte aber nicht, zu ihm zu sehen. Ich fürchtete, dass Jack verschwinden könnte, wenn ich es täte, dass er zerbersten würde wie Glas.
    »Meine Güte«, flüsterte er zurück. »Wie außerordentlich unglücklich.«
    »Jack«, flüsterte ich. Die Jungs rührten sich auf meiner Haut. Ich hob die Steinscheibe und starrte sie an. Dachte an meine Mutter. Fuhr die Rillen mit meinem Blick nach, suchte aufmerksam in den silbernen Adern … und stellte mir vor, ich befände mich auf dem Pfad, hielte dort aus. Der Krieger und das Labyrinth. Eine Botschaft nach dem Tode. Mir schwindelte erneut, aber ich wandte den Blick nicht ab. Ich sah noch immer das Gesicht meiner Mutter. Jack sagte etwas. Sucher auch.
    Plötzlich befand ich mich nicht mehr im Krankenhaus.
    Ich stand auf einer leeren Straße. Es war Nacht. Ein kalter Wind liebkoste meine Haut.
    Neben mir stand meine Mutter.

14
    M eine Mutter.
    Ich rief ihren Namen, aber sie hörte mich nicht. Ihr Blick war starr auf einen fernen Punkt gerichtet: vollkommen konzentriert. Ich versuchte, ihre Schulter zu berühren, aber meine Hand glitt durch ihren Körper. Ich versuchte es noch einmal und kam mir wie ein Vogel vor, der sich gegen ein Fenster wirft, und

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