Gefaehrtin Der Daemonen
profitieren. Auf dieser Welt verstecken sich viele Dämonen, Jägerin. Sie werden kühn, weil sie spüren, dass sich der Schleier lüftet.«
Ich dachte an die geretteten Kinder in der Nähe und machte Anstalten, über den Schutt zu kriechen. Sucher hielt mich am Arm fest. Ich versuchte mich zu befreien, und fühlte im selben
Moment, wie die Temperatur fiel. Es war, als schütte mir jemand Eiswürfel über den Rücken.
Dann bemerkte ich eine Bewegung vor mir, blasse Haut blitzte auf. Der Anblick zuckte bis in die tiefste, primitivste Stelle meiner Eingeweide. Nicht menschlich! Silberfarbenes Haar, zu langen Zöpfen geflochten, die über einen hageren Körper zu fließen schienen, der nur mit einem Ledergürtel bekleidet war. Finger wie die Zinken einer Mistgabel, von denen Brocken von rosigem, bluttriefendem Fleisch herabhingen. Der Dämon bewegte sich wie ein Blatt, das von einem Baum gefallen war. Geschmeidig, mit merkwürdigen, auf und ab gleitenden Bewegungen, die ihn dicht am Boden hielten, immer und immer wieder.
Fremdartig. So fremdartig, dass ich hätte schreien mögen. Selbst Oturu war mir vertrauter vorgekommen als diese Kreatur, die so anders erschien als alles auf dieser Welt. Mir dämmerte mit schrecklicher Gewissheit, dass Dämonen, was auch immer sie sein mochten, nicht die Ersten hier gewesen waren. Eindringlinge. Invasoren. Etwas, das den Horizont dieser Welt weit überstieg. Vielleicht war sogar der Begriff Dämon unangemessen, weil dieses Wort so sehr von Religion durchtränkt war, dass es schon gar nichts mehr bezeichnete. Denn was ich sah, wirkte nicht übernatürlich, ganz gleich, wie bizarr es auch aussehen mochte.
Ich warf einen Blick auf Sucher. Er analysierte den Dämon gerade auf eine Art und Weise, die mich erschütterte. Sowohl wegen meiner eigenen Unfähigkeit als auch wegen eines schrecklichen Gefühls der Vertrautheit. Fast schon eines Déjà-vus. Als hätte ich genau das schon einmal gemacht, mit diesem Mann dagehockt und mich auf die Jagd vorbereitet. Ich fühlte mich unbehaglich. Es flößte mir sogar Angst ein.
»Mahati«, flüsterte Sucher. »Gefangene des zweiten Kreises.«
»Wie konnte sich so etwas auf diesem Planeten verstecken?«
»Ganz leicht. Aber das ist kein echter Mahati.«
Ahsen. Der Steinkreis in meiner Tasche glühte. Ich wagte nicht, ihn zu berühren. »Wie hat sie uns gefunden?«
»Durch Energie.« Suchers Mund war nur ein schmaler Strich. »Jedes lebende Wesen strahlt ein gewisses Maß an Energie aus, eine Signatur, eine Vibration, die einzigartig ist.«
»Sie hätte mich im Krankenhaus angreifen können«, murmelte ich und tippte Zee auf die Schulter. »Bereit?«
»Nein«, sagte Sucher.
»Bereit«, antwortete Zee, während sich Dek und Mal auf meine Schultern legten. »Aber wir haben eine Horde, Maxine. Mehr als ein Schlächter. Und es kommen noch mehr und wittern das Blut.«
»Halt«, befahl Sucher, diesmal entschiedener. »Etwas stimmt da nicht. Es fühlt sich nicht richtig an.«
»Wir haben aber keine Wahl«, antwortete ich und dachte an die Verletzten hinter uns und all die Retter, die sich ihnen näherten. Menschen, die keineswegs auf eine andere Form von Desaster vorbereitet waren, auf eines, das in Albträume gehörte. Keine unsichtbaren Geister, keine schwachen Zombie-parasiten, sondern ein Dämon aus Fleisch, Knochen und Blut, der sich an diesem Ort der Zerstörung sattfressen konnte, ohne eine Spur von seiner Existenz zu hinterlassen. Leichen wurden erwartet. Und auch, dass man viele Leichen nicht mehr fand. Niemand würde auch nur einen zweiten Gedanken daran verschwenden.
Ich trat aus dem Schutt heraus. Die Jungs drängten sich um mich. Ich spürte eine Spannung unter meiner Haut, eine Beschleunigung, als fege ich mit hundert Meilen pro Stunde über eine mitternächtliche Wüstenstraße, als rase ich durch die Welt,
umhüllt von einem gepanzerten Körper. Ich war nicht unverletzlich, aber von etwas Großem erfüllt, etwas Atemberaubendem, etwas Altmodischem. Es war der pure Mut.
Ahsens silberne Haut und ihre spitzen Finger lösten sich in Rauch auf, als ich näher kam. Ein Schimmer umhüllte sie, der wie ein Ballon zusammenfiel, aus dem mit einem Schlag die Luft ausgesaugt wurde. Alles Fremdartige an ihr verschwand schlagartig, wie ein Traum, bis Augenblicke später ein kleines Mädchen vor mir stand. Mit meinem kindlichen Gesicht. Und einem Haarzopf in der Hand.
Es war so kalt, dass ich meinen eigenen Atem sehen konnte. Ahsen
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