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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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da. Nachdem ich nicht mehr in der Welt herumgereist bin, hat es mir einfach nicht gereicht, irgendwo wie die Made im Speck zu leben. Ich wollte mehr tun. Vor fünf Jahren war dieses Gelände noch eine Wildnis. Ich habe diesen Lagerhauskomplex sehr günstig erstanden und zu einem Obdachlosenheim und einem Büro für soziale Dienste umbauen lassen.«
    »Und lass mich raten … Nachts gibst du kostenlos Konzerte.« Er warf mir einen Seitenblick zu. »Es hilft, Maxine. Du würdest nicht glauben, wie viele Leute ihr Leben wirklich verändert haben.«
    »Du bewegst dich auf einem verdammt schmalen Grat, Grant.«
    »Ich weiß. Ich weiß.«
    Draußen waren nicht viele Menschen unterwegs. Zwei ältere Männer in abgenutzten Overalls kamen aus einer Hintertür an der Seite von Grants Wohnblock. Sie hatten Eimer mit Gartenwerkzeug in den Händen und grüßten Grant mit einem strahlenden Lächeln. Mich sahen sie ebenfalls an, allerdings etwas weniger zutraulich. Sie musterten kurz meinen entblößten
Hals, meine Hände und Unterarme, die von den wilden Tätowierungen dunkel waren. Die Männer nickten einmal, als würde das etwas bedeuten, und schlurften dann gebückt und schleppend über den Fußweg, als würden sie in ihren arthritischen Knochen jeden Schritt spüren.
    Hinter einer nahe gelegenen Tür war das Klappern von Töpfen sowie ein fröhliches Pfeifen zu hören. Ich roch Fett. Grant unterdrückte ein Lächeln und öffnete die Tür für mich.
    Dahinter befand sich eine Küche, eine große Garküche mit einem sauberen, schwarzweiß gefliesten Boden und makellos glänzenden Geräten. An dem breiten Doppelspülbecken stand eine Frau. Sie wirkte winzig, fast zerbrechlich, mit einer vernarbten, offenbar mehrmals gebrochenen Nase. Alles andere an ihr war zart: ihr Kinn, die blasse Haut, ihre langen schneeweißen Haare. Als sie sich bewegte, klingelten Armreifen und unter ihrem Arm klemmte eine kleine Topfpflanze, die mir verdächtig wie Cannabis vorkam. Als uns die alte Frau entdeckte, stieß sie einen Schrei aus.
    »Grant!« Sie tänzelte leichtfüßig auf ihn zu. Die kleine Pflanze wackelte hin und her, während sie über den Boden glitt.
    »Mary«, erwiderte er mit dramatisch dunkler Stimme. »Mary, mein Lämmchen. Es ist erst ein Tag vergangen und schon ist mir schwindelig vor Sehnsucht nach deiner Gesellschaft.«
    Sie kicherte, das gab einen erstaunlich mädchenhaften Klang. »Fred hat sich fürchterliche Sorgen gemacht, als du gestern Abend nicht gekommen bist, Grant. Ich hab ihm zwar gesagt, dass das überflüssig wäre, aber er hat sich halt so hineingesteigert.«
    »Typisch.« Grant strich über ein zartes Blatt der Pflanze, die sie ihm entgegenhielt. »Was habe ich dir gesagt, Fred? Ich brauche mein eigenes Leben. Genau wie Mary. Du musst loslassen.«
    Zu spät , dachte ich, aber die alte Frau wandte sich mir mit
einem derart strahlenden Lächeln zu, dass ich fast glaubte, sie wollte mit der Sonne wetteifern. Sie schlang ihren freien Arm um meine Schultern und brach mir mit ihrer erstaunlich kraftvollen Umarmung fast die Knochen.
    »Willkommen!«, kreischte sie. »Wie nett. Wer sind Sie?«
    »Maxine.« Ich fragte mich, ob und wann es höflich wäre, mich aus ihrem sehnigen Arm zu befreien, der mich fast zerquetschte.
    »Maxine«, echote Mary. »Ein sehr starker Name. Und so männlich. Wie schön für Sie! Bitte begrüßen Sie Fred.«
    »Hm.« Ich starrte auf die kleine Pflanze und blickte zu Grant, der hinter der alten Frau stand. Er machte eine auffordernde Handbewegung.
    Ich berührte ein kleines Blatt und schüttelte es behutsam. »Sei gegrüßt … Fred.«
    Mary strahlte. »Möchten Sie etwas essen? Ich bereite gerade das Mittagessen für unsere verlorenen Seelen vor. Keiner macht das besser als ich, behauptet Grant.« Sie beugte sich dicht zu mir und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Das kommt daher, weil ich mit der Liebe des Heiligen Geistes koche, Liebes.«
    »Und gelegentlich mit ein paar illegalen Zutaten, von denen ich hoffe, meine liebe Mary, dass sie sich heute nicht versehentlich in den Nachtisch verirren. Na?« Grants Lächeln wirkte eine Spur gereizt. Ich starrte die alte Frau ungläubig an.
    »Natürlich, Grant.« Mary lächelte süß. »Keiner von Freds Brüdern ist für das heutige Mahl geopfert worden. Ich nehme die Sünde ernst.«
    »Das ist gut«, erwiderte Grant. »Wenn du uns jetzt bitte entschuldigen würdest, ich muss Maxine noch einiges zeigen.«
    »Ach!« Mary ließ mich los.

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