Gefaehrtin Der Daemonen
Sonne durch das Fenster scheinen.
Meine Haut war mit Tätowierungen übersät.
6
G rant war schon aufgestanden, aber trotzdem fühlte ich mich nicht verlassen. Nicht nach der letzten Nacht. Ich wand mich aus den Decken und nahm mir einen Moment Zeit, um das Chaos um mich herum zu betrachten. Mein Körper war wund, meine Knie schwach. Ich lächelte bei der Erinnerung daran, allerdings nicht lange. Überall auf dem Boden lagen aufgerissene Kondomverpackungen herum, auch wenn das bei mir keine Garantie bedeutete. Jedenfalls hatte meine Mutter mich gewarnt. Und dieselbe Warnung stand in allen alten Familientagebüchern. Ich hatte mich immer etwas über die Mühe gewundert, mit der meine Vorfahren versucht hatten, die Empfängnis zu verhüten. Es war ihnen jedoch nie geglückt, obwohl das möglicherweise auch an den Mitteln gelegen haben könnte, die ihnen zur Verfügung gestanden hatten. Vielleicht war es dieses Mal anders. Oder aber es spielte auch keine Rolle mehr. Jetzt nicht mehr.
Die Tür schwang auf, Grant kam herein. Er trug eine Trainingshose, mehr nicht. Er stützte sich schwer auf seinen Stock und hielt in der freien Hand einen weißen Becher, aus dem es dampfte und nach Kaffee duftete.
Als er mich sah, blieb er stehen und musterte mich anerkennend. Unwillkürlich musste ich lächeln. Langsam, mit lasziv
schwingenden Hüften ging ich auf ihn zu. Ich hätte niemals gedacht, dass ich so etwas konnte.
»Diese … Kunst auf deinem Körper gefällt mir. Ich bin mir nur nicht sicher, ob mich auch interessiert, wer sie … geschaffen hat.«
Ich blickte an mir herab. Meine Haut war vollkommen mit Tätowierungen übersät: Schattierungen aus Silber und Obsidian, schuppige Wellen aus Muskeln und Gliedern und verschlungenen Klauen; hier und dort ein rotes Auge, ein gebogener Reißzahn. Die Jungs bedeckten mich von den Fußsohlen über meine Fingerspitzen bis zu meinen Nippeln. Ich hatte keinen Spiegel, aber ich wusste, dass das verschlungene Labyrinth aus dunklen Linien und Körpern oberhalb des Halses unter meinen Haaren endete. Dass mein Gesicht frei von Tätowierungen war, war ein vielleicht überhebliches Zugeständnis an meine Eitelkeit, obwohl ich tagsüber dort genauso geschützt war wie überall sonst an meinem Körper.
Grant reichte mir den Kaffeebecher, beugte sich vor und küsste mich auf den Mund. Er ließ die Finger über meinen Hals und zwischen meine Brüste gleiten.
»Fühlt sich an wie Haut«, erklärte er. »Sind sie das wirklich, die Jungs, meine ich?«
»In ihrer ganzen Pracht.«
»Und du weißt nicht, wie sie das machen?«
Ich schüttelte den Kopf und nippte an meinem Kaffee. »Niemand weiß es. Es gibt zahlreiche Geschichten darüber, von denen die meisten aber mehr ins Reich der Legenden gehören, als dass sie die Wahrheit erzählen. Erst seien die Menschen da gewesen und dann wären die Dämonen gekommen und hätten sie vor die Wahl gestellt. Welche Wahl, das dürfte wohl gleichgültig sein. Jedenfalls haben die Menschen falsch entschieden und die Finsternis in ihr Leben gelassen. Dann folgten schlimme Zeiten. Und danach
wurden die Jäger erschaffen, die Schleier errichtet. Was jetzt noch an Gewalt und Unfrieden auf der Welt herrschte, war nur den Menschen zuzuschreiben. Sie konnten bloß noch sich selbst die Schuld geben. Und am Ende denjenigen, die versuchten, sie zu schützen: Jägern, Dämonen-Fängern. Dem Unheiligen.«
Grant zog die Brauen zusammen. »Kommt in diesen Geschichten denn niemals Gott vor? Keine höhere Macht?«
»Ich glaube schon. Aber nicht … nicht direkt.« »Jemand hat dich geschaffen. Und diese Schleier ebenfalls. Die Dämonen sind also nicht von allein verschwunden.«
»Dazu war Macht notwendig«, gestand ich. »Eine ungeheuerliche Macht.«
»Du klingst nicht sonderlich überzeugt davon.« »An Satan glaube ich genauso wenig«, erklärte ich. »So ironisch das auch klingen mag.«
»Das tut es, ja. Aber du glaubst daran, dass es jemanden gibt, der über diese Dämonen herrscht. Diese Dunkle Königin.«
»Mamablut. Sie herrscht aber nur über einige von ihnen. Und es gibt da noch einen wichtigen Unterschied. Das eine ist ein Mythos, der Archetypus. Das andere ist real.«
»Real, soweit du weißt.«
»Soweit es mir berichtet wurde. Und zwar von denen, über die sie herrscht.«
Grant zuckte mit den Schultern und lächelte schwach. »Ich habe nie daran gezweifelt, dass Gott existiert. Nur an den Teufel mochte ich nicht glauben. Ich habe meine Meinung jedoch
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