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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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wusste, wie meine Mutter gestorben war. Auf dieselbe Art war auch ihre Mutter ums Leben gekommen, und deren Mutter davor. Und auch ich werde auf dieselbe Art sterben, es sei denn jemand ließe sich mal etwas Neues einfallen. Was ich allerdings ernsthaft bezweifelte.
    »Was wollt ihr?« Ich fragte die Zombies, sah dabei aber nur die alte Frau an. Sie erwiderten meinen Blick, als freuten sie sich schon auf die Kugel, die für mich bestimmt war. Wir starrten uns an, aber es fiel niemandem auf. Der Strom der Touristen,
der unablässig um uns herumfloss, wurde schwächer. Manche Zombies ernteten schiefe Blicke, das war aber auch schon alles; keiner der Passanten schien hinter die Fassade zu blicken und sich zu fragen, ob es hier vielleicht gerade ein Problem gab.
    Erst als die alte Frau die Pistole aus der Tasche zog, drehten sich einige Köpfe nach ihr um. Ihre Hand zitterte stark. Ich entdeckte auch Angst in ihrem Blick, Verwirrung. Sie kämpfte gegen den Zwang an, kämpfte gegen den Dämon in sich. Vielleicht. Ich tendierte dazu, nur das Beste von anderen zu denken.
    »He!« Die Zombiefrau hatte eine tiefe, raue Stimme - vermutlich war sie Kettenraucherin. »He, Jägerin. Jägerin Kiss. Bäng, bäng.«
    Sie zielte, allerdings nicht auf mich. Schnell drehte ich mich herum. Hinter mir, auf der anderen Straßenseite, humpelte der Mann mit dem Gehstock. Er war größer, als ich vermutet hatte, breitschultriger, kräftiger. Ein Wolf unter Hunden.
    Ich brauchte nur zwei Schritte, warf mich auf ihn. Irgendwie schien er aber darauf vorbereitet gewesen zu sein. Er hob die Arme, fing mich auf, als ich ihn zu Boden riss, meine Hände schützend auf seinen Hinterkopf gelegt.
    Ein Schuss krachte. Als wir auf dem Kopfsteinpflaster landeten, spürte ich, wie die Kugel von meinem Körper abprallte. Der Mann unter mir stöhnte heftig, dann holte er vernehmlich Luft. Schreie gellten, Autos hupten; ich hörte das Prasseln des Regens auf dem Pflaster, wollte mich auf die Seite rollen, aber der Mann war zu kräftig. Er drückte mich so fest an sich, dass ich keine Luft bekam.
    Schließlich ließ er mich los, schrie gurgelnd auf. Im selben Augenblick presste sich etwas Hartes an meinen Hinterkopf. Die Waffe, die alte Zombiefrau. Diesmal zielte sie nicht auf den Mann. Sie wollte mich erschießen.
    Die Welt schien zu explodieren. Mir stockte der Atem. Ich
war taub, geblendet, sah einen Herzschlag lang nur gleißendes Licht. Ich konnte mich nicht rühren, keinen klaren Gedanken fassen. Dann wurde ich bewegt, und die Erstarrung löste sich. Der Mann rollte sich schützend auf mich, brüllte etwas, wiegte meinen Kopf in den Händen. Seine dunklen Augen glühten, sein Körper war heiß, groß und muskulös. Ich holte Luft, keuchend, und versuchte mich gegen den Mann zu wehren. Es war zu gefährlich. Und er war hier nicht sicher.
    In diesem Augenblick stürzte die alte Zombiefrau neben uns zu Boden. Sie keuchte, kreischte und wand sich wie ein fahler, verwelkter Aal. Aus einer Wunde an ihrem Hals sprudelte Blut, aber das war nichts gegen die Fontäne, die aus den Resten ihrer zerfetzten Hand spritzte. Die Waffe war zersplittert, als die Kugel durch den Rückstoß in das Rohr gekracht war. Wie dumm war es gewesen. Dumm, mich erschießen zu wollen. Und erst recht dumm, die Waffe auf meinen Körper aufzusetzen.
    Kugeln prallten wirkungslos an mir ab. Von meinen Tätowierungen. Die Jungs waren ausgezeichnete Leibwächter. Das hätte der Dämon in der alten Frau wissen müssen. Schließlich hatte ich einen Ruf.
    Meine Jacke war mit ihrem Blut besudelt, ich hatte Blutspritzer auf dem Gesicht. Ich erkannte den Dämon in ihrem sterbenden Blick, vage, undeutlich. Das Wesen floh. Suchte sich einen anderen Wirt und ließ die alte Frau allein sterben. Vermutlich fragte er sich, was sie da gerade für einen Unsinn gemacht hatte. Ihr Name würde, natürlich zensiert, in der Sonderausgabe der Abendnachrichten verewigt werden: Sinnlose Gewalt in Amerika wächst und greift auf die Alten über .
    Und ich würde ebenfalls in diesem Bericht vorkommen, falls ich noch länger hier herumhockte.
    Der Mann rollte sich von mir herunter. Ich rollte mit ihm, ergriff seine Hand und zog ihn hoch, als ich mich zwang aufzustehen.
Ich stank nach Blut, griff mir an den Hinterkopf, wühlte durch mein dichtes Haar. Die Kopfhaut war heiß, aber unverletzt. Ich musste an meine Mutter denken und hätte mich am liebsten übergeben. Meine Beine zitterten. Der Mann legte seine große

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