Gefaehrtin Der Daemonen
an meiner Hand. »Komm. Ich will dir etwas zeigen.«
Er stützte sich schwer auf meinen Arm, und wir gingen zu einer Tür im hinteren Teil des Wohnzimmers. Dahinter befand sich eine Feuerleiter, und wir kletterten die breiten Metallstufen hinauf zu einem Flachdach, in dessen Mitte eine wilde Ansammlung von Töpfen und Pflanzen stand. Es gab sogar eine Vogeltränke. Es war zwar nicht der schönste Garten, den ich jemals gesehen hatte, aber zweifellos war es der beseelteste. In der Mitte standen zwei nach Osten ausgerichtete weiße Plastikstühle. Ich sah einen Lichtschein am Himmel, einen Silberstreif zwischen den dunklen Wolken.
Wir setzten uns und seufzten wohlig, als wir unsere geschundenen Körper und Seelen entspannen konnten. Die Jungs lösten sich aus den Schatten und schmiegten sich an meine Beine.
Grant nahm meine Hand und küsste sie. Ich rückte meinen Stuhl dichter an seinen heran, bis ich an ihn stieß. Aber es war mir immer noch nicht nah genug. Vorsichtig befreite ich meine Beine aus dem Griff der Jungs und krabbelte auf Grants Schoß. Er hielt mich sanft in den Armen.
»Eines Tages«, sagte er leise, »ist alles möglich. Etwas Wunderbares, Maxine.«
»Glaubst du das?«
»Wir sind immer noch hier, zusammen. Das ist für mich schon Wunder genug.«
»Du bist ein Mann voller Zuversicht.«
»Voller Hoffnung bin ich«, erwiderte er. »Und das bist du auch.«
Ich weiß nicht, was ich bin , antwortete ich ihm lautlos. Ich verstand nicht, wie ich existieren konnte, und was der Sinn meiner Existenz war, außer vielleicht als Gefängnis für Wesen zu dienen, die meinem Befehl gehorchten, die nicht getötet werden konnten und die mich zum Killer werden ließen. Ich war eine Dämonenjägerin. Ich war ein Dämon.
Bis heute Nacht hatte ich geglaubt, eine Ahnung von dem Sinn meiner Existenz zu haben, dass ich ein hart erkämpftes Gefühl für meinen Platz in dieser Welt hätte, selbst wenn es nur ein kleiner Platz war.
Jetzt aber war mir klar, dass auch dies nur eine Illusion gewesen war.
»Ich bin so lange weggelaufen«, flüsterte ich. »Ich habe kein Zuhause. Ich habe überhaupt nichts.«
»Du hast mich«, widersprach Grant.
Klauen zupften vorsichtig an meinen Fesseln. Meine Jungs schlangen ihre dünnen Ärmchen um meine Beine, ihre roten Augen glühten. »Und uns«, schnarrte Zee traurig. »Du hast doch uns.«
Tränen brannten in meinen Augen. Grant küsste meine Stirn und deutete auf den Silberstreif, der das Morgengrauen ankündigte. Bald würde die Sonne am Horizont aufsteigen, ich fühlte es in meinen Knochen. Es würde ein wunderschöner Morgen werden. »Bist du bereit, Maxine? Bist du bereit, noch einmal von vorne zu beginnen?«
Die Jungs hielten die Luft an, hatten die Augen geschlossen. Ich dachte an meine Mutter. Meine Familie war verschwunden, tot, doch jetzt bot sich eine neue Chance. Ein Wunder. Für mich war das jedenfalls Wunder genug.
Ich dachte auch an das, was Mamablut gesagt hatte. Dass ein Krieg kommen würde, derselbe Krieg, der schon vor Jahrtausenden angekündigt worden war, als der Schleier erschaffen und die Dämonen dahinter eingesperrt wurden. Eine finstere Zukunft wurde prophezeit.
Aber diese Zukunft war nicht jetzt … und ich liebte. Ich liebte Grant. Ich war auch bereit, für diese Liebe zu kämpfen: um ihn. Um uns. Um das Kind, das später einmal meinen Platz einnehmen würde, wenn die Zeit dafür reif war.
»Ja«, sagte ich, nahm seine warme Hand und drückte sie an meine Lippen. »Ja, lass es uns versuchen.«
GEFÄ HRTIN DER DÄMONEN
Meiner Mutter, die mich lehrte,
nach meinem Gehör zu spielen,
und meinem Vater, der mir riet, es nicht zu tun …
DANKSAGUNGEN
Mein tiefster Dank geht an meine Lektorin, Kate Seaver, deren unerschütterliche Unterstützung, Verständnis und Freundlichkeit dieses Buch erst möglich gemacht haben.
Außerdem möchte ich meinen Korrekturlesern, Robert Schwager und seiner Frau Sara, danken.
Oh, diese Täuschungen sind fast so stark wie das Leben. Letzte Nacht träumte ich, ich wäre in dem Labyrinth und erwachte weit entfernt. An einem Ort, den ich nicht kannte.
EDWIN MUIR
PROLOG
Als ich acht Jahre alt war, verlor mich meine Mutter bei einem Kartenspiel an Zombies.
Doch es war gar nicht ihre Schuld. Ein Schneesturm tobte gerade, der Sonnenaufgang war noch sechs Stunden entfernt. Sie hatte sich auf einer verschlungenen Landstraße verirrt. Die Karte war schlecht, man konnte nichts sehen: schwarzes Eis, dazu heulte der
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