Gefährtin Der Finsternis
lange, bevor Euer Dämonengeist ihn berührte, in den Himmel.«
»Stimmt nicht«, sagte sein Peiniger lächelnd. »Sein Geist war noch fast intakt, als ich ihn in Besitz nahm. Ich konnte seine Gedanken recht gut hören. Und was seine Seele betrifft …« Er schüttelte den Kopf wie jemand, der ein Kind ein Märchen erzählen hörte. »Natürlich verfällt der Geist im Laufe der Zeit, selbst unter meiner Führung. Dennoch verdanke ich ihm viel. Ich hätte ohne seine Hilfe niemals so gut mit Euch mithalten können. Orlando ist ein kluges, kleines Insekt.« Plötzlich packte er Simons rechte Hand mit kräftigerem Griff als jede Fessel und steckte ihm den Ring an den Finger. »Das Einzige, was er in seinem törichten Leben bedauerte, war, dass er Euch nicht zu seinem Erben gemacht hat, als er es noch hätte tun können«, sagte er sanft, während Simon keine Miene verzog und sich weigerte zu reagieren. »Seht also, wie ich ihm seinen Dienst vergelte?«
»Und ich werde es Euch vergelten«, antwortete Simon, seine Lippen zu einem Lächeln verzogen, das eher an eine Grimasse erinnerte. »Das nächste Mal werde ich Euch vernichten.«
»Ich bitte Euch, tut Euer Schlechtestes, mein Sohn«, sagte Kivar sanft und unbeeindruckt. Er trat einen Schritt zurück, als Simon so weit nach vorn stürzte, wie die Ketten es zuließen, und dieses Mal spürte Simon entschieden ein Nachgeben. Die Bolzen, die ihn an der Mauer festhielten, bogen sich definitiv. »Aber erspart mir bitte Euer ignorantes Geplapper von Himmel und Seelen.« Er trat erneut beiseite. »Ich war bereits unsterblich, als Euer Gott noch im Zelt irgendeines Schafhirten erfunden wurde.«
»Warum seid Ihr dann so erpicht darauf, Seinen Kelch zu erlangen?«, erwiderte Simon. Wenn er sich erst von diesen Ketten befreien konnte, war er sich fast sicher, dass er den goldenen Dolch erreichen würde, bevor Kivar ihn aufhalten konnte. Er könnte den Teufel vielleicht nicht vollständig vernichten, aber er könnte den Körper zerstören, den er besaß, seinen Kopf abschlagen und das Herz herausschneiden, wie Kivar es offensichtlich bei Francis getan hatte. Dann könnte zumindest das Mädchen entkommen.
»Seinen Kelch?«, sagte Kivar mit spöttischem Lachen. »Simon, seid kein Narr. Der Kelch gehört mir, er ist mein Geburtsrecht. Er hat nichts mit Eurem Gott zu tun.« Er wandte sich ihm mit dem Messer in der Hand wieder zu. »Hat dieser kleine Wurm, Orlando, Euch noch nicht gesagt, was der Kelch enthält?«
»Die Erlösung«, antwortete Simon.
»Nichts dergleichen!«, schrie Kivar. »Die Erlösung ist nur eine weitere hübsche Geschichte, ein weiterer Mythos, den Eure Priester erfinden, damit ihr Wilden Euch nicht gegenseitig fresst.« Er lächelte verzerrt. »Aber Ihr solltet Euch deswegen nicht grämen. Es war zu meiner Zeit dasselbe.«
»Wozu ist der Kelch dann gut?« Die Worte des Teufels bedeuteten ihm in Wahrheit nichts. Wenn Kivar gesagt hätte, er stünde in Flammen, hätte er ihm nicht geglaubt, selbst wenn er den Rauch gerochen hätte. Simon war von zu vielen Kreuzen verbrannt und von zu vielen unschuldigen Seelen abgewiesen worden, um daran zu zweifeln, dass sein Gott real war oder dass Ihn die Verdammten auf eine wenig zimperliche Weise interessierten. Isabel, dachte er, bevor er sich daran hindern konnte. Isabel hatte ihn mit einem Kreuz von sich vertrieben und hatte den Namen des Herrn beschworen. Was musste sie jetzt denken? Wie musste sie sich fühlen? Er wagte es nicht, bei dem Gedanken zu verweilen, sonst würde er dieser Falle niemals entkommen. »Warum danach suchen?«
»Der Kelch bedeutet Heilung«, antwortete Kivar, während seltsamer, triumphierender Wahnsinn in seinen Augen leuchtete. »Der Kelch vervollständigt.« Er nahm Simons Gesicht in seine Hände und betrachtete es. »Ihr seid vom Tod gezeichnet, mein Sohn, eine Blutkrankheit, kein Fluch. Der Kelch könnte Euch heilen.« Er ließ ihn langsam los, wich zurück. »Aber vielleicht brauche ich Euch nicht mehr.« Er wandte sich rasch um, riss das Mädchen vom Boden hoch, bleckte seine Zähne, und sie stieß ein verzweifeltes, klagendes Wimmern aus. »Seht Euch das an, und Ihr seht eine Seele«, sagte das uralte Böse leise, während er ihren Knebel entfernte, und klang dabei ehrlich verblüfft. »Ihr fürchtet mehr um sie als um Euch selbst, sogar jetzt noch, dieses bedeutungslose kleine Wesen, dessen Namen Ihr nicht einmal kennt.« Er ließ sie wieder fallen, wobei ihr Kopf mit einem leisen,
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