Gefährtin Der Finsternis
»Ihr müsst fort. Der Pater und ich werden uns um dieses Chaos kümmern.« Er betrachtete den Vampir mit verzerrtem Lächeln von oben bis unten. »Und sucht Euch etwas zum Anziehen.« Simon blickte auf seinen Waffenrock hinab, der aufgeschlitzt und blutdurchtränkt war. »Geht, Krieger«, wiederholte der Zwerg und schubste ihn leicht.
Draußen war es vollkommen dunkel. Simon stand zwischen den umgestürzten Steinen des alten römischen Tempels und schloss die Augen, atmete die kalte, neblige Luft ein, als ob sein Körper sie noch immer benötigte. Seine Haut kribbelte vor Leben, aber es war eine Illusion, die Lebendigkeit vom Blut seines Opfers gestohlen. Er würde sich einige wenige kostbare Stunden, nachdem er sich genährt hatte, beinahe wieder wie er selbst fühlen, ein Mensch mit einem Herzen und einer Seele. Er würde sich an Irland und an die Träume erinnern, die er einst so hochgehalten hatte, die grünen Felder sehen, sich an die Wärme der Sonne auf seinem Rücken erinnern. Während das Blut eines Toten in seinen Adern floss, würde er sich daran erinnern, wie es sich angefühlt hatte zu leben, sich nach Liebe und einem Heim zu sehnen.
Aber wenn der Morgen käme, würde er wieder sterben. Das Blut der Tötung würde von seinem unendlichen Hunger verschluckt worden sein, dem einzigen Leben, das real war. Er war ein Ungeheuer, ein Raubtier, das nur zu dem Zweck tötete, aufzustehen und erneut zu töten. Nur für das Blut und seine Suche, seine endlose Suche nach einem Relikt, von dem er noch immer nicht glauben konnte, dass es ihn retten würde. Mit jeder Nacht, in der sein verfluchter Körper wanderte, verschmolz er tiefer mit den Schatten, entfernte er sich weiter von Gottes Gnade. Warum sollte dieser magische Kelch ihn akzeptieren, selbst wenn es ihn geben sollte und er ihn irgendwie finden konnte?
Manchmal beneidete er Roxanna, seine Schwester im verfluchten Blute, die während all dieser vergangenen zehn Jahre in einer anderen Welt schlief, als Dunst in einer Flasche. Sie spürte dieses Sehnen, das er jetzt empfand, diese Illusion des Lebens jenseits allen Wissens oder aller Kontrolle nicht mehr. Wenn sie hungerte, so wusste Simon es nicht, und es kümmerte ihn auch nicht.
Die Pferde des französischen Ritters und seiner Leute waren unmittelbar vor der Mauer der Abtei angebunden. Sie schauten bei seinem leisen Herannahen auf, die samtigen Ohren zurückgelegt, während sie unruhig wieherten und schnaubten. »Ihr braucht keine Angst zu haben«, murmelte er und streckte eine Hand aus. »Dieser Wolf will euch nichts tun.« Als Mann hatte er Pferde so geliebt, wie nur ein Ire es konnte. Es gab kein Pferd, das er nicht reiten, keinen Hengst, den er nicht zähmen konnte. »Euer Herr ist tot.« Das größte der drei Pferde, ein dunkelbraunes, gepanzertes Schlachtross, stemmte seine Hufe auf den Boden, warf den Kopf auf und wieherte warnend. »Ich kann nicht glauben, dass du um ihn trauern wirst.« Als er nahe genug war, um die samtige Nase zu berühren, griff er nach dem Zügel des Pferdes.
Aber gerade als seine Fingerspitzen ihn berührten, bäumte das Pferd sich auf, schrie und peitschte mit seinen Hufen die Luft, und seine Gefährten taten es ihm gleich. Die ersten beiden rissen sich mühelos von ihren Pflöcken los und flohen, das Schlachtross zerschmetterte die Holztore der Abtei. Aber das dritte, eine kleinere, graue Stute, war gefangen. Die Augen vor Entsetzen verdreht, bis nur noch das Weiße zu sehen war, wand und krümmte sie sich und wollte verzweifelt entkommen, aber ihr Pflock wollte sich nicht lösen.
»Es tut mir leid«, sagte Simon, beinahe flehentlich, während er das Messer aus seinem Gürtel zog. »Ich schwöre dir, Hübsche, alles ist gut.« Er wich den peitschenden Hufen aus und durchschlug den Haltestrick mit einem Streich. Die Stute stieg so heftig, dass sie auf den Rücken stürzte. »Nein!«, schrie Simon entsetzt und war sich sicher, dass das Pferd Schaden genommen hatte, aber sie kämpfte sich wieder hoch. Sie schrie angesichts des Vampirs erneut und galoppierte dann davon, setzte über das zerbrochene Tor.
»Es tut mir leid«, wiederholte Simon, der ihr nachsah, als sie in die Nacht verschwand.
»Die Pferde fürchten Euch«, sagte eine Stimme hinter ihm leise. Das Mädchen, das der französische Ritter beschimpft hatte, kam auf ihn zu, suchte sich ihren Weg zwischen den Steinen der Ruine. »Aber ich nicht.« Er konnte im Mondlicht kaum ihre Quetschungen sehen. Er sah sie als
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