Gefährtin Der Finsternis
Bauernmädchen. Sie begreift Eure Position nicht.«
»Schon gut«, sagte Isabel und legte den Kranz beiseite. »Sie hat es nicht böse gemeint.« Sie nahm ihre Näharbeit wieder hoch und mied den Gedanken daran, dass sie und Susannah fast im selben Alter waren, oder dass ihre Mutter selbst ein Bauernmädchen gewesen war. Sie musste auch im Druidenhain getanzt haben, bevor ihr normannischer Ehemann kam, um auf sie Anspruch zu erheben, dachte Isabel. Aber ihre Tochter, die Herrin von Charmot, wurde als Adlige geboren.
Sie arbeitete sich durch einen ganzen Korb Flickwäsche, während sich der übrige Haushalt auf die Feier vorbereitete. Alle wünschten ihr einen schönen Abend, als sie aufbrachen. »Sei heute Nacht vorsichtig, junger Thomas«, rief sie, als Tom mit einem Fass Met auf der Schulter durch die Halle lief. »Es heißt, in der Mainacht kämen die Feen aus den Wäldern.«
Er grinste und errötete. »Man kann nur hoffen.«
Schließlich hörte sie den Wagen über die Zugbrücke davonrollen, so dass sie nun abgesehen von Simon und Orlando unten in den Katakomben und Brautus oben in seinem Zimmer allein war, oder zumindest vermutete sie das. Aber gerade als sie in die Küche gehen und für sich und Brautus etwas zum Abendessen holen wollte, kam jemand durch das Tor zurück – Raymonds Frau, Mary, die in einem hellgrünen Gewand mit einem Blumenkranz im Haar wunderschön aussah. »Verzeiht, Mylady«, sagte sie und betrat die schattige Halle. »Ich muss mit Euch sprechen.« Sie streckte eine pralle, kleine Geldbörse aus. »Ich muss Euch dies geben. Raymond nennt mich eine Närrin, aber ich fürchte … Ich kann erst zum Kreis der Druiden gehen, wenn Ihr das von mir annehmt.«
Isabel nahm die zerlumpte Geldbörse, ein weicher Lederbeutel, mit farbiger Seide in Weinrot und Pfauenblau bestickt. »Woher habt Ihr sie?« Die meisten Leute von Charmot und aus den umliegenden Dörfern sahen nie in ihrem Leben zwei Münzen auf einmal, aber diese Geldbörse war fast bis zum Bersten mit Kupfer-, Silber- und sogar Goldmünzen gefüllt.
»Diese tote Frau, die wir gefunden haben, hatte sie in ihrem Rock versteckt«, erklärte Mary. »Diejenige, die der Wolf getötet hat.« Isabel sah entsetzt zu ihr hoch. »Wir wussten, dass es falsch war, sie zu nehmen, aber Raymond sagte …« Sie wandte den Blick ab. »Wir dachten, Charmot bekäme vielleicht einen neuen Herrn und wir müssten fortziehen und könnten dann mit diesem Geld neu anfangen, vielleicht sogar nach London gehen. Ich habe dort eine Cousine.«
Isabel konnte es ihnen kaum vorwerfen. Sie hatte an jenem Tag selbst daran gedacht davonzulaufen. »Ihr habt sie bei diesem Mädchen gefunden?«, fragte sie und war darüber noch verblüffter. Die tote Frau war eine Bäuerin gewesen. Wo hätte sie solch einen Schatz herhaben sollen? Sie erkannte einige der Münzen, die aus England stammten, dieselben, von denen sie auch einige besaß, aber viele andere waren fremd und offensichtlich sehr alt. Sie schüttete sich einen Stapel davon in die Hand, und eine große goldene Münze mit dem Bild eines Römers namens Cäsar darauf rollte daraus hervor.
»Ja«, antwortete Mary und nickte. Je länger sie sprachen, desto ruhiger klang sie, als ob allein die Tatsache, Isabel die Geldbörse zu geben, ihre Ängste vertrieben hätte. »Raymond sagte, sie würde sie nicht mehr brauchen, aber wir schon, oder zumindest dachten wir das. Aber nun, wo Euer Herr … Euer Cousin gekommen ist …« Isabel blickte erneut zu ihr hoch, und sie errötete, aber dieses Mal wandte sie den Blick nicht ab. »Ihr könntet sie Pater Colin geben.«
»Ich könnte sie ihm geben?« Sie schüttete die Münzen wieder in den Beutel zurück. »Warum ich?«
»Ihr seid die Herrin des Schlosses«, sagte Mary, als wäre dies ein vollkommen stichhaltiger Grund. »Ihr könntet selbst solch eine Geldbörse besitzen, die Euch Euer Vater, der Lord, hätte hinterlassen können.«
»Ich besitze keine«, sagte Isabel lachend.
»Aber das weiß Pater Colin nicht«, erklärte sie. »Ihr könntet sie der Kirche schenken, und er würde niemals nachfragen. Ihr würdet nicht einmal sagen müssen, woher Ihr sie habt.« Isabel erkannte, dass sie Absolution wollte, jemanden mit Einfluss, der ihr sagte, sie könne nun im Kreis der Druiden tanzen, ohne Angst vor Strafe haben zu müssen für ihre und ihres Mannes große Sünde, sich um sich selbst zu sorgen. Also war sie zur Herrin von Charmot gekommen, einer unverheirateten, jungen
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