Gefährtin Der Finsternis
Frau, die niemals dort getanzt hatte und auch niemals dort tanzen würde. Danke, Papa, dachte Isabel mit innerer Verbitterung, die für sie allmählich zu einer Art Gewohnheit wurde. Du hast mir wirklich ein schönes Erbe hinterlassen.
»Ich werde mich darum kümmern«, sagte sie laut und brachte ein Lächeln zustande. »Geht und genießt den Tanz.«
Ein Lächeln überzog Marys Gesicht. »Danke, Mylady.« Sie vollführte einen bäuerlichen Hofknicks. »Vielen Dank.« Und fort war sie, bevor ihre Herrin antworten konnte.
Isabel betrachtete die Geldbörse erneut. Seltsame Zeichen, die sie nicht lesen konnte, waren mit mattem Goldfaden in das Leder gestickt. Sie nahm die Goldmünze, die sie zuvor gesehen hatte, erneut hervor und hielt sie zwischen den Fingern. Wenn das nächste Mal ein Verehrer erschiene, könnte sie sich vielleicht freikaufen, damit er sie in Ruhe ließe. Oder vielleicht würde sie sie Pater Colin schenken, wie Mary es vorgeschlagen hatte, und ihnen allen ein wenig Ablass für ihre Sünden erkaufen. Aber im Moment kümmerte es sie nicht sehr.
Sie steckte die Münze wieder in die Geldbörse und die Geldbörse in ihre Tasche. Brautus würde sein Abendessen brauchen.
Simon tastete sich an der Höhlenmauer entlang, er wollte in diesem dunklen, feuchten Loch nur sehr ungern seiner Dämonensicht vertrauen. »Der Boden ist wieder nass«, sagte er zu Orlando, der wenige Schritte hinter ihm her kroch. »Bring das Licht hierher.«
Sie tasteten nun schon seit Wochen wie die Narren in einem Märchen in der Dunkelheit umher, durchsuchten Sir Gabriels Katakomben und waren dem Kelch kein bisschen näher als in der Nacht, in der sie begonnen hatten. Die Tunnel wanden sich scheinbar endlos voran, tiefer und tiefer, wobei Wasser gelegentlich als eisiger Silbervorhang durch die Decke floss oder durch den Boden sickerte. Orlando hatte aus einer seiner vielen Taschen ein phosphoreszierendes Pulver zutage gefördert, das eine schimmernde Spur hinterließ, während sie sich vorantasteten. Sonst hätten sie sich hier auf ewig verirrt.
»Hier«, sagte Orlando und reichte die Fackel hinüber. »O du liebe Güte.«
Die Lache zu seinen Füßen schimmerte, wie Simon es vermutet hatte – sie hatten diesen Weg schon zuvor gequert. »Wunderbar«, grollte der Vampir und stolzierte auf der Suche nach einem neuen Tunnel zur nächsten Biegung voraus. Aber eigentlich dachte er: Welchen Sinn hat das? Sie hatten keine Ahnung, wie lange der Schimmer in diesem Puder anhielt, wenn Orlando es ausstreute – sie wussten nur, dass sie nun tagelang ihren eigenen Schritten gefolgt waren. »Es ist hoffnungslos«, murrte er laut, blieb stehen und lehnte sich an die Wand. »Wir werden niemals etwas anderes finden als das hier.«
»Und was sollen wir Eurer Meinung nach stattdessen tun, Krieger?«, fragte Orlando, der stolperte, als er Simon hinterhereilte. »Das würde ich gerne wissen.«
»Ich weiß es nicht.« Die Wand ihm gegenüber war mit groben Figuren bemalt, Männer und Frauen in einem Kreis, die meisten hatten hellrote Haare. Sie tanzten offenbar, die Arme erhoben, der spitze, blau-gelbe Umriss in der Mitte des Kreises war wohl ein Feuer. Die Katakomben waren von solchen Gemälden übersät, und sie vermittelten Simon stets ein seltsames Gefühl, als hätte er etwas Wichtiges vergessen, etwas, das knapp außerhalb seiner Erinnerung lag. Zuerst war Orlando davon überzeugt gewesen, dass dies ein gutes Omen sei, dass die groben Gestalten und Simons Reaktion auf sie ihnen irgendwie den Weg zu dem Kelch weisen würden. Aber Wochen später hatten sie in den Gemälden ebenso wenig weitere Strukturen und Hinweise gefunden wie in den Tunneln selbst.
Er hob die Fackel näher an das Gemälde heran, betrachtete eine einzelne Tänzerin, deren lange, rote Locken sich um ihre schlanke Gestalt wanden. »Isabel«, murmelte er. Ihre Mutter war auf dieser Insel und in den umliegenden Wäldern zu Hause gewesen. Sie hatte eine sehr ähnliche Gestalt in ihren Wandteppich gewoben, eine junge Frau, die einen Wolf zähmte.
»Was denkt Ihr gerade, Krieger?«, fragte der Zauberer. Simon begann den Weg zurückzugehen, auf dem sie gekommen waren, überließ es seinem Weggefährten, ihm nachzueilen. »Was geht Euch durch den Kopf?«
»Isabel«, antwortete er, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. Er erreichte Sir Gabriels Arbeitszimmer und befestigte die Fackel in einer Wandhalterung. »Vielleicht weiß sie etwas«, erklärte er, als Orlando ihn schließlich
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