Gefährtin Der Finsternis
musste für Charmot tapfer sein. Aber sie wollte nicht tapfer sein. Sie wollte weinen und sich von Simon festhalten lassen. Sie wollte, dass er ihr Sicherheit gab.
»Nein«, stimmte er ihr zu und küsste sie auf die Stirn. »Aber es wird gut werden.« Plötzlich erfüllte ihn der Gedanke, dass ein weiterer Dämon versuchen könnte, hierherzukommen und seine Liebste zu bedrohen, mit einem fast rasenden Zorn. »Ich werde es finden.« Er zog sich zurück und umschloss ihr Gesicht mit den Händen, als er sein Versprechen gab. »Was auch immer im Wald ist, was auch immer Susannah genommen und ihren Geliebten ermordet hat, ich werde es finden, und ich werde es vernichten.«
»Und was ist, wenn du es nicht kannst?«, fragte sie. »Hast du Orlandos Gesicht gesehen?«
»Was?« Er ließ sie verwirrt los. »Nein. Was hat Orlando zu tun mit …«
»Er hat Angst, Simon.« Raymond ging an ihnen vorbei, eilte wahrscheinlich zur Mauer, und sie zog ihn tiefer in die Schatten. »Als die erste Frau ermordet wurde, hat Orlando kaum mit der Wimper gezuckt. Als wir ihn darauf hinwiesen, du könntest allein im Wald in Gefahr sein, verhielt er sich, als wäre es eine Art Scherz, als wäre es töricht, dass wir auch nur daran dachten. Aber nun hat er Angst.«
»Ich bin mir sicher, dass dem nicht so ist«, versprach Simon lächelnd.
»Frag ihn.« Als sie ihn lächeln sah, so tapfer und sorglos, konnte sie nur daran denken, wie er aussehen würde, wenn er sich irrte, wenn sein blutleerer Leichnam auf dem Boden der Halle läge, seine Kehle aufgerissen, mit blicklosen Augen, die auf die Balken über ihm starrten. »Weiß er, was die Männer getötet hat, Simon?«, fragte sie. Simon ist meine einzige Hoffnung, hatte der Zauberer ihr am ersten Morgen auf Charmot gesagt. Mein Krieger und meine Rettung. Aber was genau sollte Simon, seiner Meinung nach, bekämpfen? »Weiß Orlando, was in den Wäldern ist?«, fragte sie ihren Liebsten nun.
»Nein.« Ihre Frage traf ihn völlig unerwartet. Einen Moment wollte die Lüge kaum ausgesprochen werden. »Natürlich nicht, nicht mehr als ich selbst.«
»Bist du sicher?« Lügt er?, dachte sie. Er klang unsicher, überhaupt nicht wie sonst. Aber warum sollte er lügen? »Simon, wenn du etwas weißt, musst du es mir sagen. Du musst mich nicht beschützen. Ich bin kein …«
»Du bist kein Kind«, beendete er ihren Satz lächelnd für sie. Er legte eine Hand an ihre Wange. »Vertrau mir, Liebste. Ich weiß das.« Er küsste sie zärtlich auf die Lippen, und sie ließ es zu, erwiderte seinen Kuss. Sie wollte stark sein, wollte ihn dazu bringen, ihr die Wahrheit zu sagen, aber sie konnte nicht sicher sein, ob er sie nicht bereits gesagt hatte. Sie wollte nicht mit ihm streiten, nicht jetzt.
»Sei vorsichtig«, sagte sie, schroff vor Empfindungen, und bekämpfte den Drang, sich erneut in seine Arme zu werfen, als er sich zurückzog.
»Das werde ich«, versprach er. Er hauchte einen letzten Kuss auf ihre Stirn und verließ sie dann, folgte einem anderen Mann in den Hof.
Isabel ging in die Halle zurück, aus der gerade die Leichname fortgetragen wurden. Glynnis und Hannah drängten sich in einer Ecke zusammen. Hannah weinte. Isabel wurde das Herz auch schwer, als sie sich an den Vortag in diesem Raum erinnerte, an Susannah und daran, wie glücklich und hübsch sie gewesen war. Wie konnte sie fort sein? Welche Art Ungeheuer könnte sie verletzt haben wollen?
Mutter Bess saß am Feuer, so dicht, dass die glühenden Holzstücke ihre Röcke zu versengen drohten. Kevin hatte gesagt, die Leichname seien kaum einen Steinwurf von ihrer Haustür entfernt gefunden worden. »Mutter Bess«, sagte Isabel und trat zu ihr. »Geht es Euch gut? Braucht Ihr irgendetwas?«
Die alte Frau schaute erstaunt auf und lächelte dann. »Kommt und setzt Euch zu mir, Mylady.« Sie nahm Isabels Hand in die ihre. »Wenn ich daran denke, dass ich schon so lange lebe«, sagte sie sanft, und ihre Stimme zitterte ein wenig.
»Ihr werdet noch viel länger leben, Mutter«, sagte Isabel lächelnd.
»Tapferes, kleines Mädchen.« Sie drückte ihre Hand, bevor sie sie losließ.
»Ich bin kein kleines Mädchen mehr«, antwortete Isabel. »Und ich fühle mich nicht sehr tapfer.«
»Keine Sorge, Kind«, sagte die alte Frau nickend. »Eure Mutter hatte das zweite Gesicht, ihre Vision stimmte.« Sie berührte Isabels Wange. »Aber Ihr seid solch ein hübsches Ding.«
»Ich danke Euch.« Sie hatte in Wahrheit keine Ahnung, worüber die liebe,
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