Gefaelschtes Gedaechtnis
Lewis McBride, war noch immer etliche Schichten von der innersten entfernt. Was hatte es mit diesem Mord an seiner Familie auf sich? In den Zeitungen stand nichts darüber — und der Reuters-Artikel schloss eindeutig aus, dass er je passiert war. Falls McBride jemanden ermordet hatte, wäre das in dem Artikel erwähnt worden — und der Stanford-Professor hätte ihn nicht als »hervorragenden jungen Mann« bezeichnet.
Abbildung: Foto (McBride)
Nexis bot nur Text, keine Bilder, aber wenn zu einem aufgeführten Artikel ein Foto abgedruckt worden war, dann wurde diese Information mitgeliefert. Abbildung: Foto (McBride). Den Artikel musste es auf Mikrofiche geben — und das Foto ebenfalls.
Als Charlie Dorgan. zur Arbeit kam, wartete Ray Shaw schon auf der Couch im Sekretariat seines Büros. Dorgan senkte den Kopf, als er seinen alten Freund sah, nickte seiner Sekretärin zu und marschierte in sein Sanktuarium.
Shaw folgte ihm und schloss die Tür.
»Charlie —«
»Ich will nichts hören«, sagte Dorgan und hob eine Hand, als wollte er einen Schwur ablegen. »Ich kann nicht darüber sprechen.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass wir nicht darüber sprechen können. Das soll heißen, dass du keinen Bericht über das kleine Objekt erhalten wirst, das du mir geschickt hast — also hör auf zu fragen, sonst zerstörst du noch eine wunderbare Freundschaft.« mit diesen Worten ließ der Physiker sich in den Drehsessel hinter seinem Schreibtisch fallen, drehte sich einmal im Kreis und blickte zur Decke.
Shaw machte eine hilflose Geste. »Ich verstehe gar nichts mehr.«
»Es ist geheim«, sagte Dorgan.
»Was ist geheim?«
»Das Gerät. Es ist eine Neurophon-Prothese. Aus Bioglas.«
»Deshalb ist sie für das Immunsystem des Körpers unsichtbar.«
»Richtig.«
Jetzt setzte Ray Shaw sich hin. Er ließ sich auf die Armlehne eines Ledersessels sinken und dachte über die Worte des Physikers nach.
»Du hättest mir sagen sollen, wie brisant die Sache ist«, sagte Dorgan vorwurfsvoll.
»Ich hatte doch keine Ahnung —«
»Ich hab das verdammte Ding jedem gezeigt, den es interessiert hat! Und Fred — du kennst Fred — der ist schon seit Ewigkeiten hier — Fred wirft einen Blick darauf und sagt: >Damit haben wir an der Uni herumexperimentiert.< Und ich sage, wann war das — in der Steinzeit? Und er lacht und sagt, >Genau — alle im Labor hatten eine eigene Lavalampe.< Schon komisch. Also frage ich ihn: >Was ist das?< Und er sagt: >Tja, Charlie, das ist eine Neurophon-Prothese — und jetzt muss ich dich umlegen.< >Ha, ha<, sage ich. Und er guckt mich ganz komisch an. Ganz komisch!«
»Du nimmst mich auf den Arm.«
»Absolut nicht: Er guckt mich ganz komisch an und sagt: >Im Ernst, im Ernst — du dürftest das Ding gar nicht haben. Das war ein Regierungsprogramm. Streng geheim. Eins von den Programmen, die es nie gegeben hat. Ein experimentelles Programm.<«
Shaws Miene verfinsterte sich. »Das war kein Experiment«, sagte er.
»Wie meinst du das?«
»Ich meine, ich hab das Ding einem Patienten entnommen.« Dorgan schnappte mehrmals nach Luft. Als er wieder atmen konnte, fragte er: »Soll das ein Witz sein?«
»Nein.«
Der Physiker spitzte die Lippen und holte tief Luft. »Und plötzlich kriege ich Besuch.« Er hielt inne, um seine Worte zu unterstreichen.
»Von wem?«, fragte Shaw.
»Von wem? Was meinst du wohl? Von zwei Typen in Trenchcoats und mit dunkler Brille.« Shaw lachte.
»Nein, im Ernst«, sagte Dorgan. »Wie einem Agentenfilm entsprungen. Lange Trenchcoats und ohne den geringsten Sinn für Humor.«
»Haben die gesagt, für wen sie arbeiten?«
»Ja, stell dir vor, das haben sie. Sie sagten, sie wären beim Pentagon«, erwiderte Dorgan, »bloß, mir fällt auf, dass auf ihren Visitenkarten die Vorwahl 301. stand.«
»Was bedeutet ...?«
Dorgan zuckte die Achseln. »National Security Agency, also Militärischer Abschirmdienst.«
Shaw runzelte die Stirn. »Und was war der Zweck des Besuches?«
»Sie wollten wissen, wie ich in den Besitz des Gerätes gekommen bin.«
»Und du hast es ihnen erzählt?«, fragte Shaw, das Gesicht eine Maske der Enttäuschung.
»Natürlich habe ich es ihnen gesagt! Was hätte ich denn machen sollen, Ray? Die haben mir einen Heidenschiss eingejagt.«
»Und jetzt?«
Dorgan zögerte. Schließlich sagte er: »Ich weiß nicht. Vielleicht stellst du dich darauf ein, dass du auch bald Besuch kriegst.«
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