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Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
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dann kam ein langer Hügel, der zu einem dunklen Teich an der Südseite von Harlem führte. Jugendliche — Internatsschüler ohne Krawatte — standen grüppchenweise zusammen und rauchten, lachend und verschwörerisch. Auf dem Straßenpflaster das Surren von Inlineskates. In der Ferne das Plopp-Plopp von Tennisbällen_ Dann das »Reservoir«, umgeben von Maschendrahtzaun, dahinter die untergehende Sonne. Licht flackerte durch den Zaun, während Adrienne an ihm entlanglief und über McBride nachdachte.
    Wie konnte man sich eine Familie einbilden, überlegte sie, sich so perfekt eine Familie einbilden, dass man selbstmordgefährdet wurde, weil man glaubte, Frau und Kind ermordet zu haben? Und warum jetzt — warum erinnerte McBride sich an eine eingebildete und böse Vergangenheit, nachdem das Implantat entfernt worden war?
    Es ergab keinen Sinn. Es sei denn natürlich, dass es gerade darum ging: dass »Duran« Selbstmord begehen sollte, falls und wenn das Implantat jemals entfernt werden würde, falls und wenn er seine Erinnerung jemals wieder finden würde. Seine wahre Erinnerung.
    Und jetzt die Männer im Trenchcoat ...
    Am nächsten Morgen war Adrienne fast eine halbe Stunde zu früh in der Klinik, erfrischt nach einem langen und traumlosen Schlaf. Sie hatte gehofft, McBride sprechen zu können, bevor Shaw eintraf, aber die Krankenschwester am Empfang ließ sie abblitzen. >In der geschlossenen Abteilung sind Besuche nicht erlaubt. Tut mir Leid, aber wir können da keine Ausnahmen machen.«
    Zur Verärgerung der Schwester bestand Adrienne darauf, zu warten.
    Es war zehn Uhr, als Dr. Shaw aus dem Aufzug trat, mit düsterer und entschlossener Miene. Er schnauzte die Stationsschwester an, weil sie protestierte, als Adrienne ihm durch die dicken Türen in die geschlossene Abteilung folgte. In der Nähe flackerten auf Monitoren die Bilder von einem Dutzend kleiner weißer Räume, in denen jeweils eine einzige Person war, die sich kaum bewegte.
    »Sie kennen doch die Vorschriften, Doctor —«
    »Stimmt«, erwiderte Shaw. »Und wenn wir es nicht so eilig hätten, würde ich den Patienten in ein anderes Zimmer bringen lassen — aber dafür haben wir keine Zeit.«
    Nein?, dachte Adrienne.
    »Gut, wenn Sie gegen die Vorschriften verstoßen«, sagte die Stationsschwester, »dann muss ich —«
    »Schreiben Sie von mir aus Ihren Bericht«, entgegnete Shaw und eilte davon. »Ich werde den Patienten ohnehin bald entlassen. »Entlassen? Mr. McBride ist wirklich nicht in der Verfassung - Aber Shaw hörte nicht mehr zu. Er ging mit so schnellen Schritten, dass Adrienne kaum mitkam.
    Alle Räume auf der Station hatten große Fenster zum Korridor. In die Fensterscheiben war feinmaschiger Draht eingebettet.
    Shaw öffnete eine der Türen und trat ein.
    Es gab in dem Raum einen Einbauschrank mit Schubladen an einer Wand und ein Bett an der anderen. An die Wand dem Bett gegenüber war ein Fernseher montiert, und an der Decke war eine Videokamera befestigt. Ein kleines Klo in der Ecke. Das war alles.
    McBride lag im Bett, den Kopf auf zwei Kissen gestützt, und sah sich eine Fernsehserie an. Er hatte sich nicht bewegt, als sie den Raum betraten, und jetzt sah Adrienne, dass er es nicht konnte: Seine Handgelenke waren am Bett festgeschnallt.
    Adrienne war entsetzt. »Machen Sie diese Dinger ab!«, forderte sie und trat rasch an McBrides Seite.
    »Gleich«, versprach Shaw, der ihre Hand sachte von einem von McBrides festgeschnallten Handgelenken nahm. Er trat näher und legte McBride eine Hand auf die Schulter. »Lewis«, sagte er, »hören Sie genau zu, was ich jetzt sage.«
    Keine Reaktion.
    »Es ist wichtig«, beharrte der Psychiater, »und ich fürchte, wir haben nicht viel Zeit.«
    Keine Reaktion von McBride — der aussah, als wäre er um zehn Jahre gealtert, seit Adrienne ihn zuletzt gesehen hatte, Jahre, in denen er die Hölle durchgemacht hatte. Er sah mitgenommen aus, und seine Wangen waren mit Stoppeln bedeckt. Tief liegende Augen, die ihrem Blick auswichen.
    Frustriert schaltete Adrienne den Fernseher aus.
    McBride wandte ihr den Kopf zu. »Danke«, sagte er, »ich mag diese blöde Serie nicht.«
    Adrienne kicherte, froh, eine Reaktion — irgendeine Reaktion — von ihm zu bekommen.
    »Hören Sie mir zu, Lewis«, verlangte Shaw.
    Der Patient schüttelte den Kopf, schloss die Augen. »Lassen Sie mich in Ruhe, Doc.« Seine Stimme klang hart wie Stein.
    »Ich entlasse Sie«, sagte der Psychiater.
    Es dauerte einen Moment, bis

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