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Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
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dem Laufen waren 45 Minuten vergangen (plus/minus eine Minute).
    Er hätte schneller laufen können, aber es gab zwei Gründe, warum er es nicht tat. Erstens: Er hatte den Punkt erreicht, wo er sich kaum noch verbessern konnte. Weder seine maximale Sauerstoffaufnahme noch seine Herzfrequenz hätten von einem erhöhten Tempo profitiert.
    Zweitens ... Nun, der zweite Grund war einfach der, dass das Laufband, wenn es über achteinhalb Meilen die Stunde kam, ein schrilles Pfeifen von sich gab, das die meisten Menschen gar nicht hören konnten, aber für Duran äußerst unangenehm war. Also ließ er es etwas langsamer angehen, als er es sonst vielleicht getan hätte.
    Heute war ein Tag wie jeder andere. Er traf kurz nach Sonnenaufgang im Studio ein, machte Dehnübungen, joggte und stemmte Gewichte, ohne groß mit anderen zu reden. Dann kehrte er in seine Wohnung zurück, duschte und rasierte sich.
    Als er sich im Bad die Haare mit einem Handtuch abtrocknete, fiel sein Blick in den Spiegel, und er musste an Nicos Bemerkung vom Vortag denken: Sie sollten mehr vor die Türe gehen, Doc. Sie sind bleich wie ein Gespenst.
    Und das stimmte. Daran würde sich auch nichts ändern — es sei denn, er überwand diese eigenartige Phobie, nach draußen zu gehen. Du brauchst 'ne Therapie, sagte Duran zu sich selbst und lachte leise, jedoch nicht sehr überzeugt. Er war wirklich bleich. Nicht, dass er krank aussah, nur blass — wie ein Vampir in den besten Jahren, witzelte er vor sich hin.
    Er ging zurück ins Schlafzimmer, zog sich seine Armbanduhr an und bemerkte, wie spät es war. Schon fünf nach halb neun; um neun hatte er einen Klienten, Henrik de Groot, und er musste sich noch vorbereiten. Nachdem er sich rasch angezogen hatte, eilte er ins Arbeitszimmer, setzte sich an den Schreibtisch und schaltete den Computer an.
    Sobald der Rechner hochgefahren war, klickte er das Fall-Verzeichnis an und öffnete die Datei über den Holländer.
    Der achtundzwanzigjährige de Groot war ein erfolgreicher und kultivierter Geschäftsmann, der ständig zwischen den USA und Europa hin und her pendelte. Seine Firma, eine der größten der Branche, fertigte Brandbekämpfungssysteme für Hotels und Bürogebäude und hatte ein völlig neues Verfahren entwickelt, das Löschmittel Halon mit geringstmöglichem Kostenaufwand zu ersetzen. >Halon<, so hatte de Groot erklärt, >wird aus demselben Grund wie Freon nach und nach aus dem Verkehr gezogen: Es zerstört die Ozonschicht.<) Duran hatte zwar nicht danach gefragt, aber der Holländer hatte trotzdem erläutert, wie >sein< Brandbekämpfungssystem funktionierte. Sobald Rauch oder starke Hitze auftrat, stießen mehrere Düsen Edelgase aus, die den Sauerstoffpegel gerade so weit absenkten, dass Feuer nicht mehr brennen konnte - aber nicht so weit, dass Menschen erstickten.
    Vor kurzem hatte, de Groots Firma einen Vertrag mit einer großen Hotelkette an der mittleren Ostküste abgeschlossen. Aus diesem Grunde hatte Duran den Hollander als Klienten - de Groot war vorübergehend nach Washington gezogen, um die Arbeiten besser überwachen zu können.
    Er war attraktiv und kräftig gebaut, sprach vier Sprachen fließend und behauptete, sich auch in Portugiesisch und Thai verständigen zu können. Duran zweifelte nicht daran.
    Wenn de Groot nicht arbeitete oder bei seinem Therapeuten war, frönte er einer anderen Leidenschaft: »Trancemusik«. Als Duran ihn einmal fragte, was es damit auf sich hatte, geriet der Holländer richtig ins Schwärmen. »Das ist Synthesizer-Zeug — beschwingter, schneller 4/4-Rhythmus. Die Musik gibt einem Energie, man verliert sich in dem Klang, man tanzt und erreicht eine andere Dimension. Der Geist ... explodiert irgendwie.« Und dann hatte der Holländer mit Zuckungen und Drehungen erstaunlich gut nachgemacht, wie ein Synthesizer eine groteske Techno-Version von »Joshua fit the Battle of Jericho« spielte.
    »Wow.«
    De Groot hatte gelächelt. »Es ist toll! Sie sollten es mal ausprobieren, Doc.« Er hatte ihm ein paar Clubs in Washington genannt. Duran hatte erwidert, er sei kein großer Tänzer, und de Groot, der Medikamente bekam, davor gewarnt, irgendwelche Drogen zu nehmen, die in der Clubszene verbreitet waren.
    Doch das Bild, das de Groot vermittelte - der fähige und weltgewandte Geschäftsmann, sprachbegabt und hip -, war eine Illusion. Oder eigentlich keine Illusion, sondern eine glänzende Fassade, die etwas verbarg, das so gefährlich war, dass seine anderen

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