Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
Vom Netzwerk:
wissen, dass sie die Testamentsvollstreckerin war.
    Sie schaute auf ihre Uhr, es war 9:15. Am Nachmittag hatte sie einen Termin mit Curtis Slough, um mit ihm über ein paar »heikle« Dokumente im Amalgamated-Fall zu sprechen. Und dabei hatte sie noch nicht einmal alle durchgearbeitet, geschweige denn ein Memo über diejenigen geschrieben, die sie unbedingt vor Offenlegung schützen sollten. Sie hatte einfach keine Zeit gehabt — hatte jetzt keine — würde keine haben. Und dennoch würde sie welche finden müssen.
    Eigentlich müsste sie sich einen Tag frei nehmen, oder sogar zwei. Aber wie sollte sie, solange die Amalgamated-Sache wie ein Damoklesschwert über ihr schwebte? Es würde zu lange dauern, jemand anderes auf den neusten Stand der Dinge zu bringen. Und es war der erste wirklich wichtige Fall, den sie für die Firma bearbeitete. Wenn sie sie jetzt im Stich ließ, wo sie mitten in der Offenlegung der. Dokumente für den Prozess steckten ... tja, dann konnte sie sich gleich einen neuen Job suchen.
    Eins nach dem andern, sagte sie sich. Mach einfach, was du zu erledigen hast, eins nach dem andern. Und das tat sie dann auch.
    Sie füllte die Freigabeerklärung für die Gerichtsmedizin aus und faxte sie an die diensteifrige Ms. Neumann. Abgehakt. Dann wählte sie die Nummer auf der Rückseite ihrer Visa-Card und lauschte mit zusammengebissenen Zähnen einer langen und überflüssigen Bandansage. Schließlich wurde die Option vorgeschlagen, die sie brauchte, sie tippte die Ziffer 8 ein und erfuhr, dass die Kosten für die Einäscherung ihr Kreditkartenlimit nicht übersteigen würden. Sie erfuhr sogar zu ihrer Überraschung, dass sie einen Kreditrahmen von über zweitausend Dollar hatte — das Resultat ihrer unlängst erfolgten Hochstufung in den Platin-Status.
    Auch das hakte sie also ab, und allmählich fühlte sie sich ein wenig besser.
    Sie ging ins Schlafzimmer, zog sich ein paar Sachen über, fuhr sich mit einer Bürste durchs Haar und schminkte sich im 60-Sekunden­ Verfahren (Mascara — Lippenstift — ein Tupfen Grundierung auf die Stirn). Dann schnappte sie die Schlüssel, tätschelte Jack und eilte zur Tür hinaus.
    Nur um einen Moment später zurückzukommen und Nikkis Laptop mitzunehmen. Warum schließlich sollte sie ihn nicht benutzen, solange der neue noch nicht geliefert war? Dennoch ... dachte sie, als sie die Tür hinter sich schloss, wenn sie ihn mit ins Gericht nehmen wollte, täte sie gut daran, sich eine unauffälligere Tragetasche zu besorgen als die grellpinke von Nikki.
    Im Büro angekommen, fand sie eine Nachricht von Slough vor, dass er doch keine Zeit zum Lunch habe — wie wär's mit morgen? Somit hatte sie einen Tag mehr, um sich mit den Amalgamated-Unterlagen zu befassen. Und sich um das Testament zu kümmern.
    Es steckte in der Laptoptasche, und als sie es herausnahm, überfiel sie plötzliche Traurigkeit. Die Erbärmlichkeit des Todes ihrer Schwester war nicht zu übersehen, sprang sie einem doch geradezu aus der Balkenwerbung über dem Testament ins Auge.
    Die Vollstreckung eines Testamentes war Neuland für sie. Wahrscheinlich würde sie die Bankkonten ihrer Schwester auflösen und die Versicherungsangelegenheiten regeln müssen (falls Nikki versichert war), und ...
    Plötzlich und zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass Nikki nicht knapp bei Kasse gewesen war. Ihr mieser Exfreund in Deutschland (genauer gesagt, seine Eltern) hatte ihr eine ordentliche Stange Geld gezahlt. Eine halbe Million Dollar. Sie musste es angelegt haben. Selbst auf einem Festgeldkonto hätte das fünfundzwanzigtausend im Jahr abgeworfen. Selbst mit ihrer Wohnung in Georgetown und den zwei Sitzungen pro Woche bei ihrem Therapeuten in Cleveland Park hätte Nikki in vier Jahren wohl kaum ein allzu großes Loch in ihre Finanzen reißen können. Schließlich war sie praktisch nie ausgegangen.
    Die Erkenntnis, dass sie dieses Geld vielleicht erbte und dann ihre Studiendarlehen zurückzahlen konnte, ließ einen Schauer der Erregung durch ihren Körper laufen, begleitet von Scham. Sie wollte Nikkis Geld nicht. Das heißt, eigentlich schon, aber ... Sie wollte nicht, dass der Tod ihrer Schwester für sie wie ein Lotteriegewinn war.
    Ihre Augen wanderten über das Blatt Papier:
    Zweitens: Ich verfüge hiermit, dass sämtliche für meine Bestattung oder Einäscherung anfallenden Kosten aus meinem Nachlass beglichen werden;
    Drittens: Ich vermache die Summe von 5000 Dollar und meinen Hund Jack dem Schauspieler

Weitere Kostenlose Bücher