Gefaelschtes Gedaechtnis
und Portier Ramon Gutierrez-Navarro in dem Wissen, dass er zu dem Vierbeiner genauso freundlich sein wird, wie er es zu mir war.
Adrienne schüttelte wehmütig den Kopf. Ramon würde sich freuen, zum einen, weil Nikki und er im Hinblick auf Jack einer Meinung gewesen waren, zum anderen — wer könnte es ihm verdenken? - wegen des Geldes. Sie las weiter. Ein Testament zu machen passte nicht zu Nikki, und dennoch ...
Viertens: Ich vermache meiner geliebten Halbschwester Adrienne Cope sämtliche Regenbogen, die es unter meinen Habseligkeiten zu finden gibt, reale und eingebildete.
Fünftens: Ich verfüge, dass der Rest meines Vermögens zu gleichen Teilen unter meiner Schwester Adrienne Cope, der
Stiftung »Believe the Children« und meinem Therapeuten Dr. Jeffrey Duran aufgeteilt wird, der nur geholfen hat, die Geheimnisse meiner Kindheit zu bewältigen.
Adrienne war fassungslos. »Die Geheimnisse meiner Kindheit«, murmelte sie. »Was für Geheimnisse?« Und dann, einen Augenblick später: »Bewältigen? Sie hat sich umgebracht !« Das Testament glitt ihr aus der Hand, als sie sich in dem Sessel zurückfallen ließ und ihr Tränen in die Augen schossen.
Es klopfte leise an der Tür, und Bette steckte den Kopf herein. »Bei dir alles klar?«, fragte sie. »Ich bin bloß gerade —«
»Ich muss weg«, sagte Adrienne, schnappte sich ihre Handtasche und sprang auf. »Lass dir irgendeine Entschuldigung für mich ein fallen. «
»Aber —«
»Es ist ein Notfall«, erklärte sie und sauste zur Tür hinaus.
9
H enrik de Groot saß lässig in dem Sessel, und auf den ersten Blick hätte man meinen können, dass er und Duran ein lockeres Gespräch führten. Der Therapieraum war recht behaglich. Auf dem Couchtisch zwischen ihnen lagen verschiedene Zeitschriften fächerförmig ausgebreitet. Ein Glas Eiswasser und ein Glas Eistee standen unangetastet auf Sandstone-Untersetzern.
Duran betrachtete die Untersetzer mit misstrauischem Blick. Wo kamen die bloß her? Sie fühlten sich sandig und rau an, wenn man sein Glas absetzte. Wo hatte er sie gekauft? Was hatte er sich dabei gedacht?
De Groots Zigaretten lagen auch auf dem Couchtisch, zusammen mit einer Schachtel Streichhölzer. Es gab keinen Aschenbecher, da Duran Rauchen in seinem Büro nicht gestattete. Aber der Holländer war Kettenraucher, und da die Enthaltsamkeit ihn nervös machte, erlaubte Duran ihm, mit seinen Zigaretten zu spielen. Wenn er nicht in Trance war, tat er das ständig, fast obsessiv — zog eine Zigarette aus der Packung, tippte sie mit einem Ende auf den Tisch, strich an ihr entlang, steckte sie sogar zwischen die Lippen und tat so, als würde er rauchen.
Sei aufmerksam, ermahnte Duran sich. Obwohl er und de Groot immer und immer wieder dasselbe Thema behandelten, war es wichtig, dass er aufmerksam war.
Nur de Groots Augen verrieten, dass er in Trance war. Sie waren geöffnet, aber irgendwie leer, als ob der Holländer an Duran vorbeischaute, vorbei an der stattlichen Reihe von Diplomen an der Wand, ja vorbei an allem.
De Groot schwieg jetzt schon geraume Zeit, wartete auf ein Stichwort von Duran.
»Du bist in dem Auto?«, begann Duran.
»Ja — in dem Auto. Es ist dunkel im Auto, und es ist dunkel draußen. Es ist so eine Nacht, wenn der Himmel bedeckt ist und man die Feuchtigkeit in der Luft spürt. Es wird bald regnen.«
Duran merkte plötzlich, dass er sich vorgebeugt hatte und das steife, blonde Bürstenhaar des Holländers bestaunte.
Es wird bald regnen«, wiederholte de Groot.
Durae lehnte sich abrupt zurück, als er merkte, dass er versuchte, den Duft dieser Haare zu erschnuppern - um festzustellen, ob die Wirkung durch irgendeine Haarcreme oder durch Gel erzeugt wurde. Sei aufmerksam, ermahnte er sich. De Groot kam nicht weiter.
»Sind da irgendwelche Lichter von Autos?«, half er ihm auf die Sprünge.
De Groot blinzelte und kniff die Augen zusammen, als würde das Licht in sie hineinleuchten. »Ja. Zuerst denke ich, es ist ein Auto mit eingeschaltetem Fernlicht. Ich denke, verdammt, warum blendet der nicht ab?«
Nein, dachte Duran. Das denkt der Fahrer. »Kann es sein, dass dein Vater das gesagt hat? Er sitzt doch am Steuer, nicht?«
»Ja. Ja, natürlich, mein Vater. Ich — ich schaue weg von dem Licht, aber es geht nicht weg. Das Licht — es ist irgendwie in mir drin. Wie ein Suchscheinwerfer in meiner Brust.«
»Und dann?«
»Ich werde von dem Licht erfasst — und dann machen sie sich an mir
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