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Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
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Tür. »Ich wollte nur die Person sehen, die das verbrochen hat«, sagte sie zu ihm. »Wenn wir uns nämlich das nächste Mal sehen, dann vor Gericht.« Sie hatte die Hand schon am Türknauf.
    »Aber—warten Sie doch mal —was haben Sie eben gesagt? Das mit Nico?«
    Adrienne blickte ihn an, als wäre er ein Stein. »Sie hat sich umgebracht.«
    Es war, als hätte sie ihn geohrfeigt. Einen Moment lang hatte er die Sprache verloren, und als er sie wiederfand, brachte er nur sinnloses Zeug heraus. »Aber ... wieso? Sie hat so gute Fortschritte gemacht«, sagte er.
    »Genau!«, fauchte Adrienne. »Sie hat so gute Fortschritte gemacht, dass wir sie Freitag einäschern lassen.«
    Sie wollte ihm einen Schwinger versetzen, doch unglücklich und frustriert, wie sie war, brachte sie lediglich einen schwachen Stoß mit der linken Hand zu Stande. Dennoch geriet er ins Taumeln und machte einen Schritt zurück. Zorn und Trauer brannten in ihren Augen. »Haben Sie es mit Absicht gemacht? Wegen des Geldes?«
    »Was für Geld?«, fragte Duran.
    Bevor Adrienne antworten konnte, stand de Groot in der Tür hinter ihnen. »Was ist denn hier los?«, fragte er. »Wer ist das, Dr. Duran?« Er wirkte halb betäubt und gefährlich, beides zugleich. Wie eine Raubkatze, die zu sich kommt, nachdem sie mit einem Betäubungsgewehr außer Gefecht gesetzt worden war.
    Adrienne musterte den Holländer rasch von oben bis unten. »Wachen Sie auf! «, rief sie. »Und wenn Sie ein Problem haben, zählen Sie nicht darauf, dass dieser Pfuscher von einem Seelenklempner Ihnen hilft.« Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und war verschwunden.
    De Groot zuckte zusammen, als die Tür hinter ihr zuknallte.
    Duran war sprachlos. Einen langen Augenblick stand er vor der geschlossenen Tür, vor Schock ganz benebelt. Dann wurde die Welt allmählich wieder klar, und er merkte, dass er neben der wuchtigen Gestalt von Henrik de Groot stand. Der Holländer wirkte so wachsam, wie Duran ihn nie gesehen hatte, er wippte auf den Fußballen, hüpfte beinahe. Langsam blickte der blonde Mann sich um. Schnüffelte in der Luft.
    »Der Wurm war hier«, sagte er.

10

                V on einem Tag auf den anderen sah Duran sich von Klassen­ treffen regelrecht verfolgt. Sie waren überall - bei »Nick at Nite«, in »Grosse Pointe Blank« und »Romy & Michele«, dann in. »Ally McBeal« und in einigen »Seinfeld«-Wiederholungen. Alle gingen zu irgendeinem Klassentreffen, und Duran war da keine Ausnahme. Die Einladung hing schließlich an seinem Kühlschrank.
    Als Therapeut war es empfehlenswert, zu Klassentreffen zu gehen. In seinem Metier ging es nun einmal darum, Klienten dabei zu helfen, sich ihrer Vergangenheit wieder zu stellen, ihnen eindeutig klar zu machen, dass sie im Leben nicht weiterkamen, wenn sie nicht die Mühe auf sich nahmen, das zu .integrieren, was früher geschehen war.
    Nicht, dass er selbst viel zu >integrieren< hatte. Die High School hatte er als angenehme Zeit in Erinnerung — warm, verschwommen und nicht sonderlich bemerkenswert. Er war eines von diesen unproblematischen Kindern gewesen, die überall gut abschnitten, nicht nur beim Basketball, sondern auch in allen anderen Fächern.
    Also warum sollte er nicht hingehen? Er konnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens würde er mal wieder aus der Wohnung rauskommen. Und obwohl das zweifellos gewisse Ängste auslösen würde, so war es auch die einzige Möglichkeit, das Problem zu überwinden. Phobien waren wie Schlägertypen in der Schule, man musste sich ihnen stellen - sonst machten sie einem das Leben zur Qual.
    Zweitens: Wenn er zu dem Klassentreffen ging, konnte er vielleicht eins von den Problemen lösen, die er mit seinem Gedächtnis hatte. Es war normal, sich nicht an Bunny Wie-hieß-sie-noch-gleich erinnern zu können — so was passierte jedem. Aber bei ihm war da noch etwas anderes. Manchmal hatte er das Gefühl, als wären seine Erinnerungen irgendwie ... überbelichtet, wie Fotos, die immer mehr im Sonnenlicht verblassten.
    In dem Augenblick pfiff der Kessel, und Duran ging in Richtung Küche, um sich eine Tasse Kaffee zu machen. Als er durch die Diele kam, fiel sein Blick auf die Fotos von seinen Eltern, die in schweren Silberrahmen auf einem Beistelltisch standen.
    Das Foto von seinem Vater war eine Nahaufnahme seines Gesichts. Er blickte heiter und gelassen in die Kamera, ein selbstbewusstes Lächeln auf den Lippen. Seine Mutter sah deutlich jünger aus - vielleicht weil

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