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Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
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jede trug ein rot umrandetes Namensschildchen. Er begrüßte die Frau, die aussah, als sei sie in seinem Alter, kritzelte seinen Namen auf ein '86er Namensschildchen, löste den Schutzstreifen von der Rückseite und klebte es sich ans Revers.
    Er ging zu einem mit Papier abgedeckten Tisch, goss sich vier Finger breit wässrigen Punsch in einen Pappbecher und überflog den Veranstaltungsplan. Um zwei Uhr sollte ein Football-Spiel der Schulmannschaft stattfinden, für vier waren ein Fußballspiel mit Ehemaligen, ein Schulgottesdienst, Klassenfotos und diverse Workshops geplant. Um sechs gab es ein kaltes Büfett.
    Er wechselte ein paar Worte mit einem forschen Ehemaligen aus dem '56er Jahrgang und schlenderte dann gemächlich hinter die Schule, wo die Sportplätze lagen. Das Football-Spiel - gegen die Schule für Gehörlose - hatte schon angefangen. Das Wetter war ideal für Football, eine leichte Brise von Westen her, herbstbunte Bäume unter einem glasmurmelblauen Himmel, die Temperatur knapp unter fünfzehn Grad. Und rundherum auf dem Hügel mit Blick auf das Spiel ließen es sich fröhlich und gepflegt aussehende Menschen gut gehen. Duran war ganz begeistert. Zeigt's den Gehörlosen, dachte er in sich hineinlachend, während er sich suchend nach alten Kumpeln umschaute.
    Der Anzeigetafel nach lagen die Gehörlosen bereits zwei Touchdowns in Führung. Na und? Er war bestens aufgelegt, und Sidwell war ohnehin nie besonders stark im Football gewesen. Er stand gegen den Stamm eines hohen Schwarzen Walnussbaumes gelehnt, schlürfte seinen Punsch und sinnierte über das Wunder dieses letztendlich typisch amerikanischen Nachmittags nach.
    Er sollte wirklich mehr unter Menschen gehen.
    Als Pause war, beobachtete er die Spieler, die mit herabbaumelndem Mundschutz zu ihren Bänken trotteten.. Und wie er so dastand im Sonnenlicht, während ein unglaublich gefärbtes Blatt nach dem anderen tanzend hinunter auf den frischen, grünen Rasen segelte, durchdrang ihn ein Gefühl echter Freude, echter Verbundenheit mit diesen Menschen, diesem Ort. Obwohl er selbst eher Beobachter war als einer von denjenigen, die jauchzend ihrer Freude Ausdruck gaben, wenn sie einander wiedererkannten und in die Arme fielen, waren alle durchaus freundlich. Ja, viele lächelten ihm sogar zu.
    Und es war ein gutes Gefühl, ein richtig gutes Gefühl, Teil einer größeren Einheit zu sein. Es war schön, sich anderen verbunden zu fühlen. Es war schon, dazuzugehören.
    Ein Pfiff ertönte, und die Spieler trotteten zurück aufs Spielfeld, wo sie Aufstellung nahmen, Burgunderrot gegen Blau.
    Die gehörlosen Spieler bekamen natürlich nicht mit, wenn der Quarterback seine Anweisungen rief oder der Schiedsrichter pfiff. Deshalb hatte man eine große Pauke an den Spielfeldrand getragen. Sie konnten sie zwar nicht hören, aber die Vibrationen spüren — und die waren gewaltig. Ein grauhaariger Mann in taubenblauem Trainingsanzug stand neben dem Instrument und schwang einen Schlegel, dessen wattiertes Ende dick wie eine Pampelmuse war.
    Der Quarterback der Gehörlosen drehte sich mal zur einen, mal zur anderen Seite und signalisierte einen Spielzug. Die Spieler gingen in Position, hoch konzentriert. Der Mann im Trainingsanzug schwang den Schlegel, und die Welt erbebte. Die Zuschauer, ob sie sich nun gerade unterhielten, durch ihre Kinder oder dringende Handy-Anrufe abgelenkt waren, wandten allesamt erstaunt die Kopfe zum Spielfeld. Der Klang war donnernd, ein gewaltiges, markerschütterndes Dröhnen. Und die Vibration war ungeheuer, ein seismisches Beben, das. durch Durans Fußsohlen hochstieg und bis in sein Gehirn jagte — wo es widerhallte wie eine Stimmgabel, die mit einem Hammer angeschlagen wurde.
    Angriff und Abwehr prallten im Sturm aufeinander. Zuschauer lachten und johlten. Aber Duran schien es, als habe er den Kontakt zum Boden verloren. Aus irgendeinem Grund war der Nachhall der Pauke wie ein Hammerschlag auf seine Nebennieren, die eine panische Adrenalinwelle durch seinen Blutstrom schickten. Noch während er zur nächstbesten Tür stürzte, wusste er, dass seine Reaktion lächerlich war. Das war eine Pauke, kein Erdbeben. Doch das Wissen verlangsamte weder seinen Puls, noch beruhigte es sein Herz.
    Er griff nach der Fliegentür zum Zartman House und riss sie fast aus den Angeln, bevor er hineinstürzte und zitternd in einen heidelbeerfarbenen Ohrensessel sank.
    Himmelherrgott, dachte er. Was ist bloß los? Woher kommt das nur?
    Sein Atem ging

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