Gefaelschtes Gedaechtnis
und der Ort dafür. Aber sie sah niemanden, der verdächtig wirkte. Eine alte Dame, die einen kleinen Hund ausführte. Ein junger Penner, der offenbar ein halbes Dutzend Mäntel übereinander trug und den Bürgersteig hinunterschlurfte. Ein paar Musiker, die vor einem Club am Whitehurst Freeway zusammen einen Joint rauchten. Geparkte Pkws und Lieferwagen, aber — nicht ihr Wagen. Sie spürte einen angstvollen Stich in der Brust, der wieder abklang, als ihr einfiel, dass sie ja nicht mit ihrem alten Subaru, sondern mit einem neuen Dodge gekommen war.
Und da war er.
Sie spähte durch die Scheiben, um sich zu vergewissern, dass die Rückbank leer war, schob sich dann hinters Lenkrad und drehte den Zündschlüssel. Ein träges Würgen erklang unter der Motorhaube. Und wieder. Und wieder. Als schon die Panik in ihr hochstieg, sprang der Motor mit einem Aufheulen an. Erleichtert rollte sie auf die Straße und fuhr Richtung Rock Creek Parkway.
Sie schob sich gerade im Schneckentempo am Kennedy Center vorbei — YoYo Ma gab an dem Abend ein Konzert —, als ihr ein glänzender schwarzer Wagen im Rückspiegel auffiel. Sie wusste nicht, was für eine Marke es war, aber er war tiefer gelegt und wirkte irgendwie lauernd. Sie hatte das Gefühl, ihn auf der Straße vor dem Büro gesehen zu haben, als sie nach ihrem Auto suchte — aber vielleicht auch nicht. Dann wurde der Verkehr schneller, und plötzlich war sie am Kennedy Center vorbei und fuhr zügig auf die Brücke zu. Sie blickte wieder in den Rückspiegel und sah, dass jetzt ein Lieferwagen hinter ihr war.
Sie wurde ruhiger, und als sie den Potomac Richtung Springfield überquerte, wanderten ihre Gedanken wieder zu Duran.
Nicht zu glauben, dass sie noch eine Nacht mit diesem Typen im Hotel verbringen würde — oder noch schlimmer, dass er jetzt ihr einziger Vertrauter war. Und das setzte ihr mehr zu als alles andere. Ihr wurde fast schwindelig bei der Vorstellung.
Ihr Blick wanderte zum Rückspiegel und verharrte ein paar Sekunden dort, bevor sie wieder auf die Straße sah. Noch immer kein glänzender schwarzer Wagen, aber bei dem dichten Verkehr ...
In einem hell erleuchteten Kebab-Imbiss in Springfield bestellte sie etwas zu essen für sich und Duran und vertrieb sich die Wartezeit mit der Beilage der Post . Sie las ein tolles Rezept für eingelegte Zitronen und wünschte sich plötzlich von ganzem Herzen, dass sie eines Tages Zeit für so etwas haben würde, statt ihre Sonntage im Büro. zu verbringen. Schließlich kam der Besitzer aus der Küche und brachte ihr zwei versiegelte Styropor-Tabletts mit Reis, Kebab und Salat.
Das Motel war nur wenige Minuten entfernt, und das war gut so, denn als sie aus dem Imbiss trat, sah sie den glänzenden schwarzen Wagen oder meinte es zumindest. Er parkte rund dreißig Meter entfernt in einer Reihe anderer Autos, mit dem Heck zu ihr. Was ihre Aufmerksamkeit erregte, war weniger der Wagen selbst als vielmehr die Tatsache, dass seine Bremslichter leuchteten. Dann bemerkte sie die dünne Abgasfahne, die aus dem Auspuff drang, und im selben Moment griff eine Hand nach draußen und richtete den Spiegel auf der Beifahrerseite aus.
Sie sah das alles, während sie zu ihrem Auto ging, und aus den Augenwinkeln registrierte sie, dass zwei Männer im Wagen saßen. Sie spürte förmlich, wie ihr die Augen im Rückspiegel folgten. Oder war es nur Einbildung?
Dann erreichte sie den gemieteten Dodge. Sie suchte nach den Schlüsseln, schloss die Tür auf, stieg ein und wollte den Motor starten. Zum zweiten Mal an diesem Abend wollte er nicht gleich anspringen. Aber schließlich heulte der Motor auf, und sie brauste davon wie ein Halbstarker, jagte mit Vollgas über den Parkplatz, die Augen auf den Rückspiegel geheftet. Eine Sekunde lang meinte sie, die Scheinwerfer des glänzenden schwarzen Wagens aufblitzen zu sehen, doch als sie sich umdrehte, war niemand hinter ihr.
Wenigstens glaubte sie, dass niemand hinter ihr war.
Ganz Springfield war im Grunde genommen ein Gewirr sich kreuzender Highways, von denen die Hälfte noch im Bau war, und es wäre tödlich gewesen, die Augen von der Straße zu nehmen.
Andererseits ...
Falls sie verfolgt wurde, dachte Adrienne, hatten sie ihre Meinung offenbar geändert. Was Duran anging. Denn wenn sie sie erwischen wollten, hätten sie doch vor dem Büro zuschlagen können — also mussten sie es auf ihn abgesehen haben. Was eigenartig war, da sie noch am Vortag Duran verschonen wollten. Der Große
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