Gefahrenzone (German Edition)
und machte einen mentalen Schnappschuss von dem, was er sah. Der Punker hatte ein Postfach an der Wand aufgeschlossen und ging seine Post auf einem Holztisch durch. Adam konnte die Postfachnummer aus der Entfernung nicht erkennen, machte aber auf dem Weg zum Ausgang blitzschnell einen zweiten mentalen Schnappschuss.
Er trat auf die Straße hinaus. Er unterdrückte ein Lächeln. Er hätte seine Tarnung niemals auf diese Weise gefährdet. Aber innerlich freute er sich wie ein Schneekönig.
Er hatte es tatsächlich geschafft.
Er wusste jetzt, dass das Postfach des jungen Mannes an der südlichen Wand das vierte von links und das zweite von unten war.
Er entfernte sich etwa hundert Meter von dem Postamt und drehte sich um.
In diesem Moment verließen die vier Männer das Gebäude, gingen ein Stück in die entgegengesetzte Richtung und betraten dann ein Apartmentgebäude, das Kwong Fai Mansion.
Yao schaute an dem Bau empor. Er war mindestens dreißig Stockwerke hoch. Es gab nicht die geringste Chance, jemand in diesem Hochhaus zu beschatten. Er drehte sich um und ging zurück zu seinem Auto. Die Entdeckung von heute Abend wirkte auf ihn wie ein Schock.
Schließlich stolperte Adam Yao ja nicht jeden Tag über einen flüchtigen Verbrecher.
Der Name des Jungen war Zha Shu Hai. Adam hatte vor mehr als einem Jahr zum ersten Mal von ihm gehört, als er eine E-Mail vom US Marshals Service erhielt, in der er gebeten wurde, nach einem geflohenen Häftling Ausschau zu halten, von dem sowohl die Marshals als auch das FBI vermuteten, dass er nach China unterwegs sei.
Zha war ein amerikanischer Staatsbürger, der in San Diego verhaftet worden war, als er den chinesischen Kommunisten geheime Konstruktionspläne seines Arbeitgebers, der Firma General Atomics, verkaufen wollte, die für die Air Force Kampfdrohnen herstellte. Man hatte ihn auf frischer Tat mit Hunderten von Gigabyte geheimer Informationen über die gesicherten Netzwerke erwischt, über die diese unbemannten Luftfahrzeuge gesteuert werden sollten. Gleichzeitig hatte er gegenüber der chinesischen Botschaft geprahlt, dass er wisse, wie man das ganze System lahmlegen könnte, indem man sich in seine Satellitenverbindung einhacke. Außerdem hatte er behauptet, er könne sich Zugang zum geheimen Computernetzwerk des Verteidigungsministeriums verschaffen, indem er einen RAT konstruierte, der das Netz einer militärischen Zulieferfirma infizieren würde und von dort aus in die Regierungsrechner eindrang. Das FBI hatte ihm nicht geglaubt, war sich jedoch auch nicht ganz sicher. Sie boten ihm deshalb teilweise Immunität an, wenn er General Atomics alles erzählte, was er über die Schwachstellen des Systems wusste.
Zha weigerte sich und wurde zu acht Jahren Haft verurteilt.
Nach gerade einmal einem Jahr in einem Minimalsicherheitsgefängnis war er von einem Arbeitsfreigang nicht mehr zurückgekehrt und einfach verschwunden.
Jeder in den Vereinigten Staaten wusste, das Zha versuchen würde, sich nach China abzusetzen. Adam arbeitete zu dieser Zeit in Shanghai und erhielt dort den Steckbrief der US Marshals. Diese vermuteten, dass ihn eine Computerfirma in Shanghai einstellen könnte, wenn er es zurück nach Festlandchina schaffte.
Adam hatte das alles beinahe vergessen, vor allem nachdem er nach Hongkong umgezogen war.
Bis heute Abend. Zha hatte sich offensichtlich bemüht, sein Aussehen zu verändern. Das Fahndungsfoto auf dem Steckbrief zeigte einen unauffälligen chinesischen jungen Mann und keinen ausgeflippten Punk mit Igelfrisur. Trotzdem hatte Adam Yao ihn gleich erkannt.
Als Adam in sein Auto stieg, fragte er sich, was wohl hinter dieser eigentümlichen Beziehung steckte. Warum zum Teufel stand Zha unter dem Schutz der Triaden? Für ihn galt noch mehr als für diesen Mr. Han, dass seine Fähigkeiten als Black-Hat-Hacker mit den üblichen Tätigkeiten der 14K-Triade eigentlich überhaupt nichts zu tun hatten.
Yao hatte zwar keine Ahnung, was das alles bedeutete, aber er wusste, dass er in nächster Zeit alles unternehmen würde, um das herauszufinden.
Eines war jedoch ebenso sicher. Er würde den US Marshals und dem FBI keinesfalls eine E-Mail schicken.
Adam Yao war ein allein arbeitender Undercoveragent. Er war nicht gerade das, was man einen Teamplayer nennen könnte. Er wusste, dass ein Anruf beim Marshals Service dazu führen würde, dass es im Postamt an der Kwong Wa Street und im Mong-Kok-Computerzentrum bald von Marshals und Botschaftsbeamten nur
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