Gefahrenzone (German Edition)
Einsatz zu konzentrieren. Trotzdem schweiften seine Gedanken immer wieder in eine noch gar nicht so weit entfernte Vergangenheit ab, in der er in diesem Restaurant eine exquisite Portion Lasagne mit einem Glas köstlichen Chianti heruntergespült hätte, während irgendein anderer Bastard auf seinen Befehl hin in diesem Lieferwagen hätte sitzen müssen.
Dabei war Kowalenko nie ein starker Trinker gewesen. Sein Vater war wie viele Männer seiner Generation ein großer Wodka-Freund, aber Walentin gönnte sich lieber beim Essen ein gutes Glas Wein und hin und wieder einen Aperitif oder Digestif. Seit seinen Erfahrungen in diesem Moskauer Gefängnis und aufgrund des ständigen Drucks durch seinen neuen schattenhaften Arbeitgeber hatte er sich jedoch angewöhnt, ständig ein paar Flaschen Bier oder eine Flasche Rotwein im Kühlschrank zu haben, da er jetzt ein wenig Alkohol benötigte, um überhaupt einschlafen zu können.
Es habe ja keine Auswirkungen auf seine Arbeit, beruhigte er sich selbst. Zumindest half es ihm, sein Nervenkostüm zu stabilisieren.
Walentin blickte zu seinem heutigen Partner hinüber, einem etwa sechzigjährigen deutschen Techniker namens Max, der den ganzen Morgen kein einziges Wort gesagt hatte, das nicht direkt mit ihrer Operation zu tun hatte. Als er ihm Anfang der Woche auf dem Parkplatz des Brüsseler Hauptbahnhofs zum ersten Mal begegnet war, hatte Kowalenko Max in ein Gespräch über ihren gemeinsamen Boss Center verwickeln wollen. Aber Max hatte sich nicht darauf eingelassen. Er hob nur die Hand und sagte, dass er mehrere Stunden benötigen würde, um die Ausrüstung zu überprüfen. Außerdem bräuchten sie für ihre Operationsbasis eine Garage, in der es genug Steckdosen gebe.
Der Russe spürte, dass der Deutsche ihm misstraute. Wahrscheinlich befürchtete er, dass Walentin alles, was er sagte, an Center weiterleiten würde.
Walentin nahm an, dass die innere Sicherheit von Centers gesamtem Unternehmen auf dem Prinzip des gegenseitigen Misstrauens beruhte, was Walentin stark an seinen alten Arbeitgeber SWR erinnerte .
Im Moment drang Kowalenko der Knoblauchgeruch in die Nase, der aus dem Eingang des Stella d’Italiaherausströmte. Ihm begann der Magen zu knurren.
Er versuchte, seinen Hunger zu verdrängen, hoffte jedoch, dass ihre Zielperson nicht zu lange beim Essen sitzen und danach in ihr Büro zurückkehren würde.
Wie auf ein Stichwort trat jetzt ein tadellos gekleideter Mann in einem blauen Nadelstreifenanzug und eleganten Budapestern aus dem Lokal, schüttelte seinen beiden Begleitern die Hand und ging in südlicher Richtung davon.
»Das ist er«, rief Walentin. »Er geht zu Fuß zurück. Das ist die Gelegenheit.«
»Ich bin bereit«, bestätigte Max in seiner typischen kurz angebundenen Art.
Kowalenko kroch in aller Eile an Max vorbei durch den Lieferwagen, um sich hinter das Lenkrad zu setzen. Um ihn herum summten und brummten elektronische Geräte und erhitzten die abgestandene Luft. Auf dem Weg nach vorn musste er sich an einer Metallstange vorbeiquetschen, die vom Boden bis zum Dach des Lieferwagens reichte. In der Stange steckte ein Kabel, das an eine kleine Antenne angeschlossen war, die ein Stück weit über das Dach hinausragte und von Max in alle Richtungen gedreht werden konnte.
Walentin ließ den Motor an und folgte ihrer Zielperson mit gebührendem Abstand die Avenue Dailly hinunter und nach links in die Chaussée de Louvain hinein.
Kowalenko wusste, dass es sich bei dem Mann um den amtierenden Vizegeneralsekretär für Verteidigungspolitik und Planung des Nordatlantikpakts handelte. Er war Kanadier, Mitte fünfzig und in keiner Weise, auch was seine Körperformen anbetraf, ein »hartes Ziel«.
Wenngleich er für die NATO arbeitete, war er kein Militär, sondern ein Diplomat und durch seine politischen Verbindungen auf diesen Posten gelangt.
Obwohl seine Auftraggeber dies Walentin nicht mitgeteilt hatten, würde dieser Vizegeneralsekretär in einigen Augenblicken Center Zugang zum geheimen, streng gesicherten Computer-Netzwerk der NATO verschaffen.
Kowalenko hatte von der Technik, die hinter ihm im Lieferwagen brummte und summte, keine Ahnung. Dafür war Max zuständig. Er wusste jedoch, dass die winzige Dachantenne die Funksignale eines Handys aufspüren und empfangen konnte. Genauer gesagt waren es die Signale des Chips in diesem speziellen Mobiltelefon, der die Verschlüsselungsberechnungen durchführte, die das Gerät »sicher« machten. Diese
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