Gefahrenzone (German Edition)
sein Spitzname jetzt zu einem Teil von ihm geworden. Außerdem musste er zugeben, dass es in seiner Truppe schlimmere Spitznamen gab als »Trash«.
Der Pilot einer Nachbar-Staffel hieß zum Beispiel »Mangler«. Zuerst fand Trash diesen Ausdruck ziemlich cool, weil er an jemand dachte, der »andere in die Mangel nehmen« konnte, was für einen Marine ja fast eine Tugend war. Einige Zeit danach erfuhr er jedoch, dass der arme Kerl den Spitznamen nach einem Abend in einer Bar in Key West bekommen hatte, an dem er eindeutig zu viele hochprozentige Margaritas geschluckt hatte. Er war so betrunken, dass er auf der Toilette beim Hochziehen des Reißverschlusses seine Eier im Hosenladen einklemmte. Als er sie tatsächlich nicht mehr herausbekam, musste man ihn ins Krankenhaus bringen. Als Fallbezeichnung trug die Krankenschwester in den Krankenbericht »testicular mangling« ein, was der medizinische Ausdruck für eine solche Form der Hodenverletzung war. Obwohl der junge Leutnant sich gut von diesem unglücklichen Vorfall erholte, würde er diese Nacht in den Keys nicht mehr vergessen, weil sie ihm einen Spitznamen eingebracht hatte, den er bestimmt nie mehr loswurde.
Im Vergleich dazu war »Trash« White eine eher zahme Angelegenheit, vor allem da der Name mit seiner Persönlichkeit eigentlich überhaupt nichts zu tun hatte.
Als Junge wollte Brandon NASCAR -Rennfahrer werden. Als Teenager durfte er jedoch einmal im landwirtschaftlichen Sprühflugzeug eines Freundes seines Vaters mitfliegen. Dieses Erlebnis änderte für immer sein Leben. Als er an diesem Morgen im offenen Zweisitzer im Niedrigflug über die Sojafelder sauste, wurde ihm klar, dass der wahre Reiz nicht auf der ovalen Rennstrecke, sondern im weit offenen Himmel zu finden war.
Er hätte in die Air Force oder zur Navy gehen können, aber der große Bruder seines besten Freundes war den Marines beigetreten. Als er aus Paris Island heimkam, seinen kleinen Bruder und dessen Freund in ein McDonald’s einlud und ihnen dort Geschichten über seine tolle Ausbildung und seine Heldentaten erzählte, hatte er Brandon für das Marine Corps gewonnen.
Jetzt war White achtundzwanzig Jahre alt und Pilot einer F/A-18C-Hornet, eines Mehrkampf f l ugzeugs , das von diesem ersten Agrarflugzeug so weit entfernt war, wie man es sich nur vorstellen konnte.
Trash liebte das Fliegen, und er liebte das Marine Corps. In den letzten vier Monaten war er in Japan stationiert gewesen, wo es ihm ziemlich gut gegangen war. Japan bot vielleicht nicht so viel Spaß wie San Diego, Key West oder ein paar andere Stationierungsorte, aber er konnte über die letzten Monate bestimmt nicht klagen.
Zumindest nicht bis vorgestern, als man ihm mitteilte, dass seine aus zwölf Flugzeugen bestehende Staffel auf die Ronald Reagan verlegt werden würde, die in Richtung Taiwan unterwegs war.
Einen Tag nachdem die Vereinigten Staaten verkündet hatten, dass die Reagan in die Gewässer vor der Republik China einfahren würde, begannen Kampfjets der Luftwaffe der Volksbefreiungsarmee in einer Art Vergeltung taiwanesische Flugzeuge zu belästigen. Trash und seine Marine-Corps-Flieger sollten die Super Hornets der US Navy verstärken, die bereits an Bord des Flugzeugträgers waren. Gemeinsam würden sie bewaffnete Luftpatrouillen auf der taiwanesischen Seite der Mittellinie der Formosastraße durchführen.
Er wusste, dass die Chinesen wahrscheinlich fuchsteufelswild wurden, wenn sie amerikanische Flugzeuge sahen, die die Republik China beschützten, aber Trash war das ziemlich egal. Er begrüßte die Gelegenheit, es den Chinesen einmal so richtig zu zeigen. Wenn es tatsächlich zu Feindseligkeiten kommen sollte, an denen F/A-18C beteiligt waren, wollte Trash, dass das Marine Corps vor Ort war und sein eigenes Flugzeug mitten im Kampfgeschehen.
Aber er hasste Schiffe. Wie jeder Pilot des Marine Corps hatte er eine Ausbildung auf Flugzeugträgern durchmachen müssen. Trotzdem war er insgesamt weniger als zwanzigmal auf einem solchen Ungetüm gelandet, und das letzte Mal war auch schon mehr als drei Jahre her. In den letzten paar Wochen hatten sie auf einem Flugfeld auf Okinawa die Landung auf Flugzeugträgern simuliert, wobei auf der Landebahn wie auf See Fangseile montiert worden waren. Aber dieses flache Stück Betonpiste war nicht in völliger Dunkelheit in einem Regensturm hin und her gegiert wie jetzt das Deck der Reagan unter ihm.
Dieses Trockentraining hatte mit dem, was er hier erlebte, kaum
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