Gefahrenzone (German Edition)
briefmarkengroßes Deck mitten auf hoher See in heftigem Wellengang ständig auf und ab. Er näherte sich ihm mit konstanten 250 Stundenkilometern, wenn ihn die Windwirbel in dieser Höhe nicht gerade verlangsamten, beschleunigten oder ihn nach links oder rechts abdrängten.
Wenn es Gottes Wille war, würde er in einigen wenigen Minuten auf dieser sich heftig bewegenden Briefmarke landen.
Dies war eine »Fall-3«-Landung, die darüber hinaus auch noch bei Nacht stattfand. Er würde also die ganze Zeit die Zeigernadeln des Automatischen Flugzeugträger-Landesystems im Auge behalten müssen, die auf das Head-up-Display (HuD), die Blickfeldanzeige, direkt vor ihm projiziert wurden. Während er sich dem Flugzeugträger näherte, hielt er seine Maschine im Zentrum des Displays, was im Moment noch nicht weiter schwer war. Auf den letzten paar hundert Metern vor dem Erreichen des Decks würde er jedoch anstatt von der Radarkontrolle vom Landesignal-Offizier eingewiesen werden. Er wünschte beinahe, er hätte etwas länger hier oben in der Dunkelheit herumfliegen können, um sich noch ein wenig sammeln zu können.
Auf Deckhöhe wehte der Wind im Moment von vorn nach achtern. Dies würde die Dinge etwas erleichtern, wenn er tiefer kam, aber hier oben wurde er immer noch in alle Richtungen gestoßen. Inzwischen war es so schwierig, den Steuerknüppel ruhig zu halten, dass seine Handflächen in seinen Fliegerhandschuhen schweißnass waren.
Trotzdem war es hier oben immer noch sicher, während das Risiko ständig wachsen würde, je mehr er sich dem Trägerdeck näherte.
Trash hasste Trägerlandungen aus tiefster Seele, und er hasste Nachtlandungen auf Flugzeugträgern noch hundertmal mehr. Fügte man der Gleichung das schreckliche Wetter und die raue See hinzu, konnte sich White sicher sein, dass sein Abend noch beschissener werden würde.
Dort. Dort drunten sah er neben all der digitalen Information, die auf sein Head-up-Display projiziert wurde, eine winzige Reihe grüner Lichter, mit einem gelben Licht in der Mitte. Dies war das Optische Landesystem, dessen Helligkeit und Größe in seinem HuD jetzt immer mehr zunahm.
Einen Augenblick später hörte er eine Stimme in seinem Kopfhörer, die so laut war, dass sie sogar seine eigenen schweren Atemgeräusche in seinem Funkgerät übertönte. »Vier-null-acht, noch 1200 Meter. Beachten Sie den Meatball.«
Trash drückte auf seine Sendetaste. »Hier Vier-null-acht, Hornet ist im Ball, Gleitwinkel fünf-komma-neun Grad.«
Mit ruhiger, ausgewogener Stimme antwortete der Landesignaloffizier (LSO): »Verstanden, Sie sind im Ball, etwas links von der Mitte. Gehen Sie nicht höher.«
Trashs Linke zog den Gashebel ein klein wenig nach hinten. Mit der rechten Hand drückte er den Steuerknüppel etwas nach rechts.
Marines auf Flugzeugträgern – was hatten die dort zu suchen , dachte Trash bei sich. Natürlich kannte er die Antwort. Die Marines flogen seit zwanzig Jahren Flugzeugträger an, weil irgendein Bürohengst im Hauptquartier damals diese großartige Idee hatte. Sie beruhte auf der grundsätzlichen Einstellung, dass alles, was die Marineflieger tun konnten, die Flieger des Marine Corps genauso gut schafften.
Egal!
Trash White sah das Ganze etwas anders. Dass das Marine Corps etwas tun konnte, bedeutete für ihn noch lange nicht, dass es das auch tun sollte. Marines sollten von flachen Startbahnen in Dschungeln oder Wüsten abfliegen. Sie sollten mit anderen Marines in Zelten unter Tarnnetzen schlafen, durch tiefen Schlamm zu ihren Flugzeugen stapfen und dann abheben, um ihre Kämpfer am Boden zu unterstützen.
Sie waren einfach nicht dafür geschaffen, auf einem verdammten Schiff zu leben und von diesem aus zu operieren.
Das war zumindest Trashs Meinung, wenngleich ihn bisher noch niemand danach gefragt hatte.
S ein Name war eigentlich Brandon White, aber so hatte ihn schon lange niemand mehr genannt. Jeder nannte ihn heute Trash. Irgendein Klugscheißer hatte es vor langer Zeit lustig gefunden, seinen Nachnamen White mit dem Wort Trash zu verbinden. White Trash, der »weiße Abfall«, war ja eine böse Bezeichnung für die Mitglieder der weißen Unterschicht. In Wirklichkeit stammte der Mann aus Kentucky jedoch aus der gutbürgerlichen Mittelschicht. Sein Vater war Fußorthopäde mit einer gut gehenden Praxis in Louisville und seine Mutter Professorin für Kunstgeschichte an der University of Kentucky. Er stammte also bestimmt nicht aus den Slums. Trotzdem war
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