Gefahrenzone (German Edition)
chinesische Sonderwirtschaftszone. Natürlich wird unsere bewährte Politik des ›Ein Land, zwei Systeme‹ weitergeführt werden, aber ich möchte, dass aus uns auch wirklich ein Land wird. Die Hongkonger Kapitalisten sollten der Pekinger Regierung Steuern zahlen. Immerhin sorgen wir für ihre Sicherheit. Meine Berater haben mir versichert, dass sich, wenn wir Hongkong und dessen kleine hässliche Cousine Macao mit unserer Sonderwirtschaftszone Shenzhen zusammenlegen, unsere Einkünfte gegenüber dem, was wir heute aus diesem Territorium erhalten, vervierfachen würden. Dieses Geld würde der KPCh zugutekommen, während die dortigen Kapitalisten hinsichtlich ihrer beträchtlichen Gewinne kaum große Einbußen erleiden würden.
Außerdem möchte ich auch in den Hongkonger Schulen das Unterrichtsfach ›Nationale Moral‹ einführen und dafür sorgen, dass möglichst viele Hongkonger Regierungsbeamte der Kommunistischen Partei beitreten. ›Nationalismus‹ ist dort zu einem Schimpfwort geworden. Dem werde ich ein Ende setzen.«
Su nickte zwar, aber Wei sah, wie die Gedanken in seinem Kopf rotierten. Der General dachte bestimmt gerade an den Widerstand, der bei einer Umsetzung dieser Ideen von dem halbautonomen Staatswesen Hongkong, vor allem aber von Großbritannien, der EU, Amerika, Australien und jeder anderen Nation zu erwarten war, die dort massive Kapitalinvestitionen getätigt hatte.
Hongkong und Macao waren Sonderverwaltungszonen der VR China. Sie genossen weitgehende Autonomie und konnten ihr demokratisch-marktwirtschaftliches System beibehalten, auch nachdem sie 1997 von den Briten bzw. 1999 von den Portugiesen China zurückgegeben worden waren. Die Chinesen hatten sich damals verpflichtet, diesen Status mindestens fünfzig Jahre lang keinesfalls anzutasten. Niemand in China und ganz bestimmt kein chinesischer Führer hatte jemals vorgeschlagen, die Selbstverwaltung der beiden Stadtstaaten abzuschaffen und sie wieder vollständig in den chinesischen Staatsverband zu integrieren.
»Ich verstehe jetzt, warum wir zuerst das Südchinesische Meer kontrollieren müssen«, sagte Su. »Viele Länder werden sich im Rahmen ihrer nationalen Interessen für die Beibehaltung des gegenwärtigen Hongkonger Status einsetzen.«
Wei wischte diese Bemerkung mit einer Handbewegung beiseite. »Schon, aber ich gedenke, es der internationalen Gemeinschaft deutlich zu machen, dass ich ein Freund der Geschäftswelt bin, der sich für den Freimarkt-Kapitalismus einsetzt, und dass es am Status von Hongkong und Macao nur minimale Änderungen geben wird, die für die Außenwelt kaum bemerkbar sein werden.«
Bevor Su etwas erwidern konnte, fügte Wei hinzu: »Schritt drei wird dann das seit Langem erklärte Ziel unserer Nation sein: die Eingliederung Taiwans. Wenn wir dies richtig machen und die Insel in unsere größte Sonderwirtschaftszone verwandeln, wird sie nach der festen Erwartung meiner Berater den größten Teil ihrer Wirtschaftskraft behalten. Natürlich werden sich die gegenwärtige Regierung und ihre Verbündeten dem widersetzen, aber ich habe keinesfalls vor, in Taiwan einzumarschieren. Ich gedenke, diese Provinz durch diplomatische Mittel, wirtschaftlichen Druck und die Kontrolle ihrer Schifffahrtswege wieder einzugliedern. Dies alles wird ihnen mit der Zeit deutlich machen, dass sie nur als stolzes Mitglied unseres Neuen Chinas eine Zukunft haben.
Sie sollten immer daran denken, Vorsitzender Su, dass die chinesischen Sonderwirtschaftszonen, ein Wirtschaftsmodell, das ich während meiner ganzen Laufbahn verbessert und gefördert habe, in der ganzen Welt als großer Erfolg gelten, da in ihnen der Kapitalismus mit unserem System versöhnt wird. Mich persönlich hält man im Westen für den Garanten eines positiven Wandels. In bin jedoch nicht naiv, ich weiß, dass mein Ansehen leiden wird, wenn die Außenwelt unsere Ziele begreift, aber das ist mir egal. Wenn wir einmal haben, was wir benötigen, werden wir schneller wachsen, als wir uns das heute überhaupt vorstellen können. Außerdem fühle ich mich dafür verantwortlich, alle Beziehungen, die durch unsere Aktionen beschädigt werden, wieder zu kitten.«
Su war die Überraschung über die Kühnheit dieses Plans deutlich anzusehen, den er von diesem friedfertigen Präsidenten so nicht erwartet hatte, einem Mann, der doch eigentlich ein Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler und kein militärischer Führer war.
Wei bemerkte die Verwirrung auf Sus Gesicht und
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