Gefahrliches Vermachtnis
einfach nicht, ob es etwas gebracht hat. Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas verändert habe.“
„Du hast klargemacht, dass die Bürgerrechte Familien zerstören. An jenem Morgen, als du in der Zeitung warst, hatten alle weißen Eltern im Süden noch einen Grund mehr, sich zu fürchten. Sie sahen ihre eigenen Kinder in dir und fragten sich, ob deren Köpfe auch so von dieser Integrationspropaganda verdreht waren.“
„Ach, komm schon! Wenn ich anfällig für Propaganda wäre, hätte ich ein paar Kreuze angesteckt.“
Cappys Lachen wirkte seltsam kindlich und unbeherrscht. „Ich habe dich vermisst, Schätzchen! Ich wünschte, du wärst nicht zu dieser Schule gegangen, um dich einzuschreiben. DeinVater hätte dich sonst nicht weggeschickt. Ich habe dich wirklich vermisst.“
Dawn wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte.
Die Gespräche mit Aurore waren zufriedenstellender. Sie sprachen über Grand Isle und die Sommer, die sie hier verbracht hatten. Sie schlenderten am Strand entlang, sammelten Möwenfedern und Holz, das die Flut angeschwemmt hatte. Onkel Hugh konnte nicht kommen, aber Aurore erzählte Dawn von seiner Kindheit mit Ferris. Es ging Aurore gut, aber sie bewegte sich wesentlich langsamer als früher. Ihr Nachmittagsschlaf dauerte oft bis in den Abend.
In der Reederei hatte sie fast alle Aufgaben abgegeben, und sie ging nur noch selten ins Büro. Es war das erste Mal, dass Dawn sich der Sterblichkeit ihrer Großmutter bewusst wurde.
Später am College versuchte sie, nicht mehr an diesen schmerzhaften Besuch zu denken. Louisiana war Dawns Zuhause, aber Kalifornien bedeutete Freiheit. Es schien niemanden zu stören, was sie tat oder nicht. Dawn war begeistert von der Meinungsfreiheit auf dem Campus. Irgendwer war immer bereit, sich mit ihr über die Ereignisse in Kuba oder Vietnam zu streiten. Sie hatte mehrere männliche Freunde und verlor ihre Jungfräulichkeit an den Sohn eines Texas Ranchers. Der Junge besaß ein ansteckendes Lachen und ein Rückflugticket nach Tyler.
Das Beste von allem war, dass die Fotografie zu ihrer Leidenschaft geworden war. Sie belegte einen Kunstkurs, um die Arbeit von Fotografen wie W. Eugene Smith, Henri Cartier-Bresson und Imogen Cunningham zu studieren. Im zweiten Semester nach den Weihnachtsferien, die sie in Arizona verbrachte, belegte sie alle weiteren Fotokurse, die irgendwie in ihren Plan passten.
Ende August verzichtete sie auf einen Ausflug nach Grand Isle, um zwei Wochen in ihrem winzigen Apartment zu arbeiten. Sie verwandelte das Badezimmer in eine Dunkelkammer und entwickelte siebenundvierzig Filme.
Am Ende ihres zweiten Studienjahres hatte die Fotografie den Sex in den Hintergrund gedrängt. Viele geduldige Freiwillige standen ihr Modell, während sie sich mit der Porträtfotografie abkämpfte. Zuerst arbeitete sie mit einer Neun-Millimeter-Weitwinkelkamera und stieg später auf eine größere Hasselblad um. Außerdem borgte sie sich eine Profikamera von einem ihrer Professoren und übte, bis sie sich qualifiziert genug fühlte, um sich für einen Sommerjob bei der Marine County Weekly zu bewerben.
Die Bezahlung war nicht besonders gut und ihre Themen waren beschränkt auf das gesellschaftliche Leben Sausalitos und süße Kinder. Aber als das nächste Semester begann, wusste sie, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte.
Am Ende ihrer Studienzeit kehrte sie endlich wieder nach Hause zurück. Präsident Kennedys Tod hatte den Campus in eine ernüchterte Stimmung versetzt.
Ihre Eltern hatte Dawn während der ganzen Zeit nur sporadisch gesehen. Sie hatten sich in Kalifornien oder in Colorado zum Skifahren getroffen. Dawn hatte zwar häufig mit ihrer Großmutter telefoniert und ihrem Onkel Briefe geschrieben, es aber dennoch vorgezogen, nicht nach Louisiana zu fahren. Niemand hatte diese Entscheidung infrage gestellt.
Als sie aus dem Flugzeug stieg, überkamen sie mit der feuchten, heißen Luft auch ihre Erinnerungen.
„Du bist erwachsen geworden“, hörte sie ihren Vater hinter sich sagen, als sie sich in ihrem Elternhaus umsah.
Dawn hatte nicht erwartet, dass er zu Hause war. Ihre Mutter hatte ihr geschrieben, dass sie sich erst beim Abendessen sehen würden.
„Daddy.“ Sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen. Sie war seit Jahren nicht mehr mit ihrem Vater alleine gewesen.
„Ich sollte eigentlich bei einer Besprechung sein, aber ich habe ihnen gesagt, dass meine Kleine nach Hause kommt und sie sich ohne mich treffen
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