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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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sollen.“
    In diesem Augenblick bemerkte sie, wie schrecklich sie ihnvermisst hatte. Sein Ärger hatte eine Leere in ihr hinterlassen, die nichts und niemand hatte ausfüllen können.
    „Du siehst gut aus.“ Sie lächelte, obwohl sie plötzlich den Tränen nahe war. „Vom Scheitel bis zur Sohle ein echter Politiker.“
    Er streckte die Arme nach ihr aus und sie ließ sich hineinfallen. „Ich hab dich vermisst“, sagte er und strich ihr über das Haar. „Du hast mir gefehlt, Schätzchen. Ich wollte hundertmal zum Telefon greifen und dich anrufen, aber ich glaube, ich bin einfach nur ein dummer alter Mann.“
    „Du bist nicht alt.“ Sie lachte unter Tränen, die sich nicht mehr aufhalten ließen.
    Er lachte auch und zog sie noch fester an sich. „Bleibst du den ganzen Sommer? Wir brauchen Zeit, um alles aufzuholen.“
    Bis zu diesem Moment hatte Dawn noch keine festen Pläne gehabt, aber jetzt wurde ihr bewusst, dass es ihr wichtiger war, zu Hause zu sein als sonst wo auf der Welt. „Ich bleibe.“
    „Diese Uni ist einfach zu weit weg.“
    Sie erinnerte ihn lieber nicht an die Zeit, als kein Ort der Welt zu weit weg für sie gewesen war. Dawn kuschelte sich an ihn und ließ sich zum Mittagessen ins Roosevelt Hotel einladen. Beim Umziehen fiel ihr auf, dass Ferris sich ein Restaurant ausgesucht hatte, wo man gesehen würde.
    Am Nachmittag besuchte sie ihre Großmutter. Aurore hatte ihre Pläne, den Sommer auf Grand Isle zu verbringen, geändert. Im letzten Jahr waren selbst kurze Reisen immer schwieriger für sie geworden und die Sommerhitze gab ihr den Rest. Beim Mittagessen hatte Ferris Dawn berichtet, dass er Aurore dazu gezwungen hatte, eine Klimaanlage in ihrem Haus zu installieren. Doch sie stellte sie nur selten an. Stattdessen hatte sie überwacht, wie ein kleiner Teich im Garten angelegt wurde. Dort saß sie nun jeden Tag, um den Vögeln zuzuhören und den großen Goldfischen beim Schwimmen zuzusehen.
    Dort fand Dawn sie auch jetzt. Sie hatte ihre Großmutter überraschen wollen und ihr deshalb nicht gesagt, wann sieankam. Als Aurore ihr ins Gesicht blickte, erkannte Dawn plötzlich zwei Dinge: erstens, wie sehr Aurore sie vermisst hatte. Und zweitens, wie sehr sie sich wünschte, dass Dawn es ihr nicht anmerkte.
    Dawn fiel auf die Knie und griff nach ihren Händen. „Grandmère.“ Sie weinte schon wieder – an diesem einen Nachmittag weinte sie mehr als in all den Jahren, die sie von zu Hause weg gewesen war.
    „Tränen meinetwegen?“ Aurore drückte Dawns Hand. „Liebes, weine nicht! Es gibt keinen Grund dazu.“
    „Doch, ich glaube schon.“ Dawn bettete den Kopf im Schoß der Großmutter. „Ich habe dich so sehr vermisst! Und ich habe dieses Haus und diesen Garten vermisst! Ich habe alles vermisst, ohne es zu wissen.“
    „Und ich habe dich vermisst! Aber jetzt bist du zu Hause. Wie lange bleibst du?“
    In der Frage lag eine Spur von Verzweiflung. „Den ganzen Sommer“, versprach Dawn. „Und keine Minute weniger.“
    Aurore strich ihr übers Haar. „Ich will alles wissen.“ Sie lachte das leise, atemlose Lachen einer alten Frau. „Vielleicht nicht ganz alles“, schmunzelte sie. „Aber alles, was für die Ohren einer Großmutter bestimmt ist.“
    In den folgenden Wochen fotografierte Dawn ihre Großmutter hundert Mal auf der Brücke bei den Goldfischen. Aurore war so wach und neugierig wie immer, auch wenn sie äußerlich sichtlich gealtert war. Sie behauptete, zufrieden damit zu sein, die Welt mit den Augen ihrer Enkelin zu sehen, und sie genoss Dawns Eindrücke von Mexiko und Kalifornien. Dawn versprach ihr, dass sie in den kommenden Wochen durch New Orleans streifen und die Stadt zu ihrer Großmutter bringen würde.
    Dawn versuchte, ihre Eltern auf Fotos zu bannen, aber sie war nie zufrieden. Cappy war schwer zu fassen. Die Augenblicke, in denen Dawn glaubte, ihre Mutter wirklich sehen zu können, waren so selten, dass sie sich fragte, ob sie es überhauptschon einmal geschafft hatte. Und Ferris war so oft fotografiert worden, dass er sich instinktiv von seiner besten Seite zeigte.
    Dasselbe galt auch für die Unterhaltungen mit ihnen. Cappy und sie bemühten sich, gemeinsame Themen zu finden, aber ihre Versuche endeten entweder halbherzig oder im Streit. Cappy schien mit ihrer neuen, unabhängigen Tochter nicht einverstanden zu sein. Nach einem gemeinsamen Abendessen gab sich Ferris liebevoll, aber distanziert. Dawn war so lange weg gewesen, dass sie nicht mehr das

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