Gefahrliches Vermachtnis
gewesen bin.“
„Du gehörst nicht zu diesen Leuten!“ Er kam näher und packte ihre Hand. „Du bist meine Tochter! Weißt du nicht, was das bedeutet? Du bist die Zukunft dieser Familie! Ich bin wie jeder andere Vater dieser Welt: Ich will, dass du mich verstehst und einer Meinung mit mir bist, aber ich weiß, dass du das nicht kannst. Jedenfalls nicht immer.“
„Wenn das stimmt, verstehst du auch, weshalb ich heute Nacht in Bonne Chance sein muss.“
„Meinungsverschiedenheiten sind eine Sache. Ich verlange nicht, dass du immer einer Meinung mit mir bist. Aber du musst zulassen, dass ich dich beschütze. Das ist alles, worum ich dich bitte. Ich weiß besser als du, was da unten im Delta passiert. Und ich muss darauf bestehen, dass du dich von dort fernhältst.“ Sein Gesichtsausdruck war sehr ernst.
„Ich möchte dahin“, wiederholte Dawn. „Ich möchte einfach hin.“
„Das weiß ich. Aber bitte, bitte, glaub mir – du gehörst dort nicht hin! Ob du hierbleibst oder dorthin fährst, es wird nichts ändern. Abgesehen davon, dass ich heute Nacht verrückt werden würde.“
„Werden sie die Leute, die zu diesem Treffen gehen, in Perez’ Lager bringen?“
„Das glaube ich nicht, aber ich kann auch nicht versprechen, dass sie es nicht tun werden.“
Sie ließ sich seine Antwort durch den Kopf gehen. Es wäre in diesem Fall einfacher für ihn gewesen zu lügen. „Onkel Hugh ist dein Bruder. Bist du ihm nicht dasselbe schuldig wie mir?“
„Glaubst du ernsthaft, dass es etwas ändern würde, wennich ihn informiere? Würde er dieses Treffen deshalb absagen?“
Wenn ihr Vater noch einmal darauf bestanden hätte, dass sie ihm gehorchen sollte, hätte sie vielleicht die Kraft gehabt wegzufahren. Einen Moment lang sah sie sich ihn und alles andere heroisch verlassen. Aber wie hätte sie das tun sollen, während er ihr mit angsterfülltem Blick die Hand reichte? Sie hatte ihn bereits gedemütigt. Wie hätte sie ihm Schlimmeres antun können? Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Ich habe Ben versprochen, heute Nacht dort zu sein.“
„Du kannst ihm nicht sagen, dass du nicht kommen wirst. Verstehst du? Das geht nicht.“
Ihr wurde bewusst, dass sie nun vor der befürchteten Entscheidung stand und dass sie sich für ihren Vater entscheiden würde. Sie kam nicht gegen Ferris’ Logik an. Onkel Hugh, Ben, Lester Narrows – niemand von ihnen würde heute Nacht seine Pläne ändern, nicht einmal, wenn sie im Voraus von den drohenden Verhaftungen wüssten. Und sie waren stark. Gute Menschen. Sie würden auf jeden Fall zur Kirche gehen. Vielleicht wussten sie tief in ihrem Inneren bereits, dass es heute Nacht zum ersten von vielen Zusammenstößen kommen würde.
Die einzige Person, die sie retten konnte, war ihr Vater. Er hatte seine politische Karriere für sie riskiert. Er liebte sie so sehr, dass er sie gewarnt hatte, obwohl er davon ausgehen musste, dass sie vielleicht gegen seinen Wunsch handeln und die anderen warnen würde. Er liebte sie. Und nun musste sie sich seiner würdig zeigen.
„Ich gehe nicht.“
Er schien in sich zusammenzufallen. „Und was wirst du sagen?“
„Morgen, wenn alles vorbei ist, werde ich zu Ben sagen, dass es mir nicht gut ging oder dass ich Probleme mit dem Auto hatte, etwas in der Art. Aber vielleicht gelingt es mir ja nicht mal, ihn zu erreichen …“
„So schlimm wird es nicht sein. Niemandem wird etwas zustoßen.“
Er glaubte offenbar, was er sagte. Aber hätte sie es bemerkt, wenn er sie belogen hätte? „Ich gehe ein bisschen spazieren“, murmelte sie.
„Sei bitte zum Abendessen wieder zu Hause. Bitte, Dawn! Sei hier. Bitte lass mich nicht rätseln, wo du bleibst.“
„Ich werde pünktlich sein.“
Dawn spürte, dass Ben nur wenige Meter von ihr entfernt hinter ihr stand. Sie wandte sich nach ihm um. „Wir haben an dem Abend früh gegessen, weil mein Vater noch einmal wegmusste. Ich habe die ganze Zeit auf das Uhrenpendel gestarrt und die Sekunden vorbeigehen sehen. Ich hatte solche Angst! Du hattest irgendwann am Nachmittag angerufen, aber ich bin nicht ans Telefon gegangen. Und dann, an diesem Abend, war ich mir plötzlich sicher, dass ich die falsche Entscheidung getroffen hatte. Ich wollte hundertmal vom Tisch aufstehen, dich anrufen und dir sagen, was ich weiß.“
„Aber das hast du nicht.“
„Nein. Ich dachte über Vaters Argumentation nach und konnte keinen Fehler darin entdecken. Ich wusste, dass ich, egal, was ich tat, zwischen
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